Slowafünf – Humba Tat(e)ra

Slowafünf – Humba Tat(e)ra

Sonntagmorgen! Der Wetterbericht versprach Großes, dieses Gefühl wollte sich morgens aber noch nicht einstellen. Bereits gestern Abend warfen wir einen Teil unseres Plans über den Haufen. Eigentlich wollten wir heute direkt an die polnisch-slowakische Grenze fahren, aber mit etwas Nachdenken war das ne ziemliche Schnapsidee, weil das durch wildes hin und her fahren locker 250km mehr bedeutet hätte. Bei der Buchung klang das noch ganz wunderbar, denn so hätten wir zwei morgendliche Chancen für unser polnisches Ziel gehabt. Rückblickend betrachtet war die Umplanung die beste Idee unseres Lebens…

Fahren mussten wir nämlich auch so schon genug. Erstmal eine Stunde nach Bojnice, denn wir hatten heute genug Puffer, um nicht den direkten Weg nehmen zu müssen und wir hatten ja noch eine Rechnung mit dem Schloss offen. Allerdings auch hier wieder nicht die Lust, ambitioniert zu fotografieren. Einerseits war es überraschenderweise noch immer Sonntagmorgen und entsprechend gut gefüllt gab sich die kleine Stadt und andererseits hätten wir hier 6€ für einen Parkplatz löhnen müssen. So hielten wir einfach an einem kleinen Feldweg und machten einen Schnappschuss. Mehr gab die Frechheit namens Himmel sowieso nicht her.

Schloss Bojnice | Fujinon 16-80mm @ Fuji X-T4 | 1/210s. | f 6.4 | ISO 160 | 76mm KB

Auf nach Rumburak

Der Weg zog sich wieder wie Kaugummi, für knapp 100 km benötigten wir wieder fast 2 Stunden. Aber auf dem kurzen Teil Autobahn gab es einen Parkplatz mit sehr sauberen Toiletten und freiem W-Lan. Auf einem Parkplatz. Nicht, dass wir es gebraucht hätten, das Mobilnetz war gut genug.

Abgesehen von den 5 km Autobahn war Landstraße angesagt. Immerhin besserte sich das Wetter jetzt wie versprochen im Minutentakt und wir konnten zumindest mal anhalten und einen wirklich schönen Schnappschuss der Gegend machen. Dieser Berg im Hintergrund, der Šíp, ist „nur“ 1.170m hoch (wir waren auf 450m), wirkte aber mit seiner schroffen Kargheit sehr viel größer. Ein vorbeifahrender Zug hätte die Szenerie abgerundet, aber darauf wollten wir nicht unbedingt warten…

Šíp Šíp Hurra | Fujinon 16-80mm @ Fuji X-T4 | 1/250s. | f8 | ISO 160 | 120mm KB

Einen besonders idyllisch gelegenen Fußballplatz verpassten wir leider, weil Hannoi nicht aufgepasst hat und als ich ihm davon erzählte, wir bereits nicht mehr umkehren konnten. Auf der Gegenspur waren teils mächtiger Verkehr und kleine Staus zu beobachten. Überall an dieser Hauptstraße waren kleine Holzbuden aufgestellt, die irgendwas verkauften, das sich bei den Einheimischen offenbar größter Beliebtheit erfreute. Später fand ich heraus, dass es sich um Käse-Verkaufsstände handelte, die Syrové Nite feilboten – ein Käse in Spaghetti-Form. So Fäden halt…

Unser erstes Ziel in dieser Region war natürlich ein Stadion. Und zwar das Štadión MFK Ružomberok des gleichnamigen Vereins, den wir tags zuvor in Trenčín stümpern gesehen haben. Das Stadion besteht nur aus Haupt- und Gegentribüne, im Hintergrund ist ein hässlicher Tesco, aber im Hintergrund ist vor allem ein recht hoher Berg.

Štadión MFK Ružomberok

Hier hätte ich gerne das eine mm mehr Weitwinkel des Nikon 14-30mm gehabt, um mehr von den Tribünen draufzukriegen. Klar, ich hätte ein Panorama schießen können. Hab ich aber nicht. Schuld daran hatte Zoltan. Zoltan kam zufällig vorbei, als ich gerade an diesem Zaun stand und fotografierte, um hinter mir an die Tanne zu pissen. Dann erkannte Zoltan in mir einen passablen Gesprächspartner. Hannoi war gerade außerhalb unseres Sichtfeldes zugange und so gab ich ein leichtes Opfer ab. Erwähnt werden sollte, dass Zoltan für nen Sonntagmittag schon bemerkenswert gut dabei und schon lange nicht mehr mit sich allein war. Immerhin sprach er passabel deutsch, weil er früher Trucker war. Jetzt lebt er mit seinem Papagei allein und ist leider dem Fusel verfallen. Aber er wunderte sich schwer, was wir an diesem leeren Stadion zu suchen hatten. „Ich gedacht, ihr russische Spione oder so. Wer fotografiert hier auch leere Stadion?“ Geiler Typ!

Am liptauischen Meer

Zoltan ging – zum Glück – seiner Wege und wir fuhren 20 Minuten weiter, ans Ufer der Talsperre Liptovská Mara. Hier heißt alles irgendwas mit Liptov, denn in dieser Gegend – zu deutsch Liptau – befinden wir uns nun. Dabei heißt Liptovská Mara gar nicht Liptauisches Meer. Das Litauische Meer ist nämlich einzig und allein die Ostsee. Liptovská Mara ist nur der Name eines Dorfes, das bei der Anlage dieses drittgrößten Sees der Slowakei verschwand. Die Kirche, bzw. deren Turm verschwand zum Glück nicht, sondern steht nun direkt am Ufer des Sees und gibt dadurch ein ganz wunderbares Fotomotiv ab. Zu genau sollte man sich die Kirche allerdings nicht anschauen, denn es stehen dort zig Wohnmobile rum und die Leute pfeffern einfach ihren Müll in die Wildnis.

Kostol Panny Márie, Liptovská Mara | Fujinon 16-80mm @ Fuji X-T4 | 6s. | f10 | ISO 80 | 50mm KB | ND 1000

Daher gingen wir auch direkt zum Seeufer, um den ganzen Menschen bestmöglich aus dem Weg zu gehen. Und außerdem lag dort ein wunderbar olles Holzboot rum. Ich holte derweil alles an Filtern raus, was ich griffbereit hatte, um bei direktem Sonnenschein 60 Sekunden belichten können. ND1000, ND64 und ND8 übereinander funktioniert ganz hervorragend.

Stausee Liptovská Mara | Fujinon 10-24mm @ Fuji X-T4 | 60s. | f8 | ISO 100 | 29mm KB | ND 8/64/1000

Auch mit dem Teleobjektiv konnte man hier jede Menge Spaß haben. Gerade, wenn ein Boot auftaucht. Dieses mit einem Angler und seinem Labrador besetzte Gefährt tat mir den riesigen Gefallen, einmal längs durch mein Foto zu fahren. Warten, bis er auf der Drittellinie ist und Feuer frei!

Stausee Liptovská Mara & Niedere Tatra | Fujinon 16-80mm @ Fuji X-T4 | 1/400s. | f8 | ISO 160 | 120mm KB

Ein weiterer Angler kam des Weges geschippert. Das Schöne an dem Stausee ist, dass du von dort beide großen Gebirge der Slowakei direkt im Blick hast. Die niedere Tatra, vor der der erste Angler herumpaddelte und die hohe Tatra, vor der der jetzige Spießgeselle seine Runden drehte. Dazwischen liegt nur ein schmaler Talkessel mit unter Anderem diesem Stausee. Dieser gefiel uns so gut, dass wir beschlossen, am nächsten Morgen hier den Sonnenaufgang zu verbringen.

Stausee Liptovská Mara & Hohe Tatra | Fujinon 55-200mm @ Fuji X-T4 | 1/640s. | f8 | ISO 160 | 174mm KB

Die letzten ihrer Art

Die Tatra ist ein sehr junges Gebirge und auch jünger als die gemeinhin als „jung“ geltenden Alpen, also mitnichten ein alter Tatragreis… 😀 Hohe und niedere Tatra gehören dabei zu den Karpaten, die einen großen Teil Südosteuropas prägen. Hier in der hohen Tatra sind die höchsten Berge der gesamten Karpaten zu sehen, dabei ist sie im Verhältnis zu ähnlich hohen Gebirgen lächerlich klein. Lediglich 341 km² und damit ungefähr so groß wie Dresden ist die hohe Tatra. Die Alpen sind 200.000 km² groß. Dafür gibt es in der hohen Tatra etwas, das es nirgendwo sonst in Europa mehr zu bewundern gibt: Sherpas! Exakt die Kollegen, die man normalerweise vom Mount Everest kennt, die irgendwelches Zeug in luftige Höhen schleppen. Während beispielsweise in den Alpen die Hütten schon lange per Heli, Pistenraupe oder Seilbahn versorgt werden, gibt es in der hohen Tatra viele Hütten, die noch traditionell durch Träger beliefert werden. Die Tatra-Sherpas gehören mittlerweile fest zur Tatra-Kultur und veranstalten 2x jährlich eine Sherpa-Rallye, bei der sie 100 kg (!) fast 3 km einen Berg hochtragen. Ich bin schon mit meinem Eigengewicht und 300 Metern überfordert. Wenn ein Sherpa im Gesicht operiert wird, ist er dann ein Cher-Pa? 😀

Schauen wir uns diese Tatra doch mal etwas näher an… Allerdings kam mal wieder ein Fußballplatz unseren Plänen in den Weg, aber dieser Platz war auch einfach zu schön, um ihn nicht anzufahren. Also parkten wir auf dem Pannenstreifen, liefen mitten auf der Straße zum Platz – und zumindest ich ärgerte mich über diese maßlos übertrieben auffälligen Tore, die dort noch standen, aber dafür machte die Kulisse mit dem malerischen Dörfchen und der hohen Tatra im Hintergrund diesen Makel wieder wett. Dass wir einfach mitten auf der Straße standen, kümmerte niemanden.

TJ Liptovský Trnovec | Fujinon 10-24mm @ Fuji X-T4 | 1/210s. | f8 | ISO 160 | 22mm KB

Der Hohen Tatra näherten wir uns auf der Straße II. Ordnung/537 (Route 537), der vermutlich schönsten Straße des gesamten Landes. Eigentlich ist sie Teil der Cesta Slobody, der „Straße der Freiheit“, die noch aus einem Teil der Route 66 besteht. Die Route 537 beginnt in Liptovský Hrádok am Fuße der Niederen Tatra, führt einmal von West nach Ost durch die gesamte Hohe Tatra, ehe sie nach 62 km bei Belanské Kúpele in die Route 66 mündet. Auf dieser kann man der Cesta Slobody bis zur polnischen Grenze folgen.

Heute fuhren wir allerdings nur ein sehr kurzes Stück bis Podbanské am Fuße des Kriváň. Dieser ist mit 2.494m zwar nicht der höchste Berg der Hohen Tatra, aber aufgrund seiner exponierten Lange am Beginn des Gebirges sicher der Eindrucksvollste. Außerdem ist er eines der Nationalsymbole der Slowakei und findet sich unter Anderem auf den roten slowakischen Eurocent-Münzen.

Was gab es nun in Podbanské zu bestaunen? Absolut gar nichts, aber wir hatten plötzlich tatsächlich eher zu viel Zeit und mussten diese irgendwo totschlagen. Also fuhren wir ziellos hin und her, bis Hannoi am Straßenrand einen wilden Gebirgsfluss erspähte. Wir hielten an und hatten schon leichte Panik, dass die zugängliche Stelle absolut überlaufen sein könnte, tummelten sich doch locker 15 Autos auf diesem Möchtegern-Parkplatz. Zu unserem Glück waren wir am Fluss völlig allein. Dieser hört auf den Namen Belá, ist 22km lang und fließt in die Waag. Und kann so richtig überzeugen – wenn du genau hinschaust, siehst du im Hintergrund auch den Kriváň durch die Bäume blitzen.

Fluss Belá | Fujinon 16-80mm @ Fuji X-T4 1/450s. | f5 | ISO 320 | 50mm KB

Dieser sollte auch unser Hauptmotiv des Tages werden. Dazu stellten wir uns an die Straße und warteten, bis die Sonne den Berg mit aller Kraft anleuchtete. Bis dahin vertrieben wir uns die Zeit, indem wir im Auto Football schauten. Live-Video in HD mitten im Nirgendwo. Versuch das mal in der Eifel… Leider hatte unser Plan Lücken, denn es war zwar heute endlich so richtig sonnig, aber wie du bereits am Bild vom Liptovská Mara gesehen hast, war es auch noch immer furchtbar diesig. So wirklich knallig angeleuchtet wurde also überhaupt nichts und wir hatten auch einige Mühe, ein paar autofreie Sekunden abzupassen, um uns schnell auf die Straße zu kauern.

Der Kriváň in der hohen Tatra | Fujinon 16-80mm @ Fuji X-T4 | 1/90s. | f 5.6 | ISO 400 | 62mm KB

Anschließend war es irgendwie erst 16 Uhr. Verfluchte Zeitumstellung! Wir überlegten ernsthaft, in unserem heutigen Etappenziel Liptovský Mikuláš noch schnell zum Eishockey zu gehen. Die haben wir ja schon am Freitag in Zvolen gesehen und wir hätten nur das erste Drittel verpasst, aber wir stillten unseren Hunger lieber in einer nahe gelegenen Sportsbar, in der das Spiel letztlich auch übertragen wurde. Anschließend ging es direkt in die Unterkunft, denn es war Sonntagabend und es lief NFL. Prioritäten und so und in Liptovský Mikuláš liegt auf nem Sonntagabend sowieso der Hund begraben.

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