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Manfred-von-Brauchitsch-Kampfbahn, Rudisleben
Manfred-von-Brauchitsch-Kampfbahn, Rudisleben

Manfred-von-Brauchitsch-Kampfbahn, Rudisleben

Es gibt manchmal Zufälle, die schon erstaunlich sind. Erst vor einigen Wochen sprachen wir im Discord darüber, dass wir dringend mal nach Rudisleben müssen, das dortige Stadion fotografieren, bevor es komplett auseinanderfällt. Nur kurze Zeit später scrolle ich durch Instagram und sah in einer Story vom hier auch bereits erwähnten lostgroundhop, dass gerade Bagger auf dem „Spielfeld“ herumfahren. Was geht da vor sich? Wollen die da etwa ein Spiel austragen? Wollten sie! Nur einige Stunden später platzte die Ankündigung heraus, dass bereits wenige Tage später ein Spiel in der Manfred-von-Brauchitsch-Kampfbahn zu Arnstadt-Rudisleben stattfinden soll. Das – mal wieder – vermutlich letzte Spiel und somit die letzte Gelegenheit, dort Fußball zu sehen.

Bemühungen, dort wieder Fußball auszutragen, gab es in den letzten Jahren nur wenige. Seit 2009 ruhte dort der Ball und seit 2009 steckte niemand mehr einen müden Penny in den Unterhalt dieser Anlage. Bereits 2015 quittierte die Stadionkneipe mit dem großartigen Namen „Feuchter Elfmeter“ nach 42 Jahren den Dienst und wohin man auch sah, war die Anlage dem Verfall preisgegeben und auch lostgroundhop biss sich nach eigener Aussage schon mehrmals die Zähne an dieser Anlage aus. Woher nun der plötzliche Sinneswandel bei der Stadtverwaltung Arnstadt kam, konnte sich niemand so recht erklären. Offenbar sollte die Anlage sowieso für ein Sommerfestival notdürftig hergerichtet werden. Nun ja, manchmal muss man Gelegenheiten eben nutzen. Arnstadt will sich für den Erhalt und die Nutzung der Sportstätte einsetzen, aber das wurde schon oft versprochen.

Ich beschloss also relativ schnell, dass ich mir das nicht entgehen lassen kann, zumal sich das Spiel am Freitagabend ganz zauberhaft mit einer weiteren Gelegenheit am Samstag kombinieren ließ, aber später mehr davon. Ich war übrigens allein, Hannoi hat sich parallel als Kundendienst-Tester für die Deutsche Bahn, Booking, die DSB und einen Parkhausbetreiber verpflichten lassen. Geld hat er dafür keins gekriegt, aber das werdet ihr sicher bald an anderer Stelle zu lesen bekommen.

Die A44 ist immer noch wahnsinnig nervig, aber dank Urlaubstag war ich wirklich zeitig in der südlich von Erfurt gelegenen Kleinstadt, die auch den Beinamen „Bachstadt“ trägt. Wie ihr euch denken könnt, hat das weniger mit der dort herumfließenden Gera zu tun, sondern mit Johann Sebastian Bach, der dort ein paar Jahre als Orgelquäler angestellt war.  Mein Weg führte mich zuerst durch das größte Gewerbegebiet Thüringens, denn wirklich schön gelegen ist die Sportstätte nicht. Eingebettet zwischen Burger King und einem Autowaschpark und im Hintergrund thronen die riesigen Logistikzentren, die die bestellwütigen Deutschen von hier aus verkehrsgünstig mit Ware versorgen. Die mit „räudig“ noch wohlwollend umschriebene Spielhalle direkt neben der Haupttribüne rundet den Eindruck passend nach unten ab.

Am Eingang war erstmal etwas Wartezeit angesagt. Der Ordner am Einlass wollte auf biegen und brechen die Leute nach vorne bitten, die schon im Vorverkauf Tickets gekauft haben. Blöd, dass es gar keinen Vorverkauf gab. Dafür gab es etwas Merch. Postkarten, Poster, noch ein paar Becher aus Riesa von letztem Jahr… verkauft wurde das alles vom Tierschutzverein Arnstadt, dem auch die Erlöse zuflossen. Der Verein kümmert sich unter Anderem um die Tribünenkatzen, die dort normalerweise wohnen. Einige von denen waren auch vor dem Spiel noch zu sehen, aber spätestens, als der Trubel einsetzte und der Stadionsprecher die schlechte Musik hervorkramte, suchten die Katzen das Weite.

Die Vorgeschichte

Warum das Ding nun Manfred-von-Brauchitsch-Kampfbahn heißt, vermochte ich nicht herauszufinden. Auf dem ersten Blick liegt es nahe, war doch zu DDR-Zeiten die BSG Motor Rudisleben auf der Kampfbahn beheimatet. Anders jedoch, als der Name suggeriert, beschäftigte sich der Trägerbetrieb, der VEB Chema Rudisleben eher mit dem Bau von Industrieanlagen für Chemiekonzerne, die in die ganze RGW-Welt exportiert wurden.

Wer von Brauchitsch nicht kennt: Der war in den 1930er Jahren zusammen mit Rudolf Caracciola und Bernd Rosemeyer die deutsche Rennfahrer-Speerspitze und pilotierte unter anderem die berühmten Mercedes-Silberpfeile. Nach dem Krieg der Ost-Spionage verdächtigt, machte er an Silvester 1954 „rüber“, was die DDR selbstverständlich propagandistisch auszuschlachten wusste. Dort legte er dann auch eine stolze Funktionärskarriere hin, deshalb gehe ich davon aus, dass das Stadion ohne direkt erkennbaren Grund nach ihm benannt wurde. Das muss sowieso irgendwann nach der Eröffnung passiert sein, denn das Stadion wurde im Laufe des Jahres 1954 eröffnet, als von Brauchitsch noch in Stammheim die Kacheln zählte. Gerüchten zufolge konnte er mit Fußball nicht viel anfangen und ob er jemals an der nach ihm benannten Sportstätte gesehen wurde, ist nicht gesichert.

Die BSG Motor Rudisleben entstand nach einigen Umbenennungen/Fusionen und spielte im DDR-Fußball nur eine Nebenrolle, sieht man mal von sechs Jahren Zweitklassigkeit zwischen 1978 und 1984 ab. Damals bestand die DDR-Liga allerdings auch aus fünf Staffeln á zwölf Mannschaften, die sportliche Qualität war also eher fragwürdig.

Dennoch kamen – vor allem bei den Spielen gegen Turbine, bzw. Rot-Weiß Erfurt – auch mal 8.000 Leute ins dann völlig überfüllte Rund. Den Großteil seiner Existenz verbrachte Motor aber in der Bezirksliga Erfurt (Stufe 3 im Ligasystem). Der Nachfolgerverein SV Arnstadt-Rudisleben, bzw. – seit 2009 – der SV 09 Arnstadt ist, bis auf wenige Ausnahmen, Stammgast in der Thüringenliga (Stufe 6) und kickt normalerweise im so modernen, wie seelenlosen Sportplatz am Obertrunk.

Der Gegner

Hier sollte heute die Zweite des SV 09 auf den Weimarer SV treffen, das Ganze in der Kreisliga. Die Geschichte der Gäste, die sogar zwei Hand voll Supporter dabei hatten, denen sie in der Halbzeit das Mannschaftszelt überlassen haben, ist nicht wirklich geradlinig. Weimar war in der DDR-Zeit quasi ewiger Zweitligist, spielte in der Saison 1950/51 aber sogar ein Jahr in der DDR-Oberliga, dies unter dem Namen BSG Turbine Weimar. Mit den Jahren schlossen sich Turbine und die BSG Waggonbau zur BSG Motor Weimar zusammen, Trägerbetrieb wurde das örtliche Mähdrescherwerk (Weimar-Werke) und über die Jahre spielte man insgesamt 30 Jahre in der DDR-Liga, was für Platz 8 in der ewigen Tabelle genügt. Nach der Wende trennte sich der Verein auf und neben dem Weimarer SV gibt es noch den SC 03 Weimar, die – wie die erste Mannschaft der Arnstädter – in der sechstklassigen Thüringenliga antreten.

Das Spiel

War halt Kreisliga. Oder wie es jemand auf den Rängen vor dem Spiel formulierte: „Der (furchtbare) Zustand des Platzes wird heute nicht der limitierende Faktor sein.“ Und so war es dann auch. Hoch und weit bringt Sicherheit – alte Kreisliga-Regel. Wobei es dann nur 1:0 zur Halbzeit stand, mehr Torchancen gab es allerdings auch kaum. In der Halbzeit setzte dann ein gottloser Platzregen ein, der mich zum Abmarsch bewegte. Ich hatte mir schon nach einem ersten Wolkenbruch vor dem Spiel die Jacke aus dem Auto geholt, aber das Problem war nicht ich, sondern meine Kamera. Deren Tasche war nämlich nicht wasserdicht und bevor mir bei dem Kick die Kamera stirbt, reite ich lieber von dannen. Ich war nicht der Einzige, der die vier Tore in Halbzeit zwei verpasste, der SV 09 Arnstadt siegte am Ende mit 5:0. Dies vor offiziell 988 Zuschauern, laut Lokalzeitung waren es 1.751 Zuschauer, die sich dieses Spektakel nicht entgehen lassen wollten. Kreisliga!

Plan B

Plan B fängt mit V an und nennt sich Viewfindr. Den hatte ich vor grauer Vorzeit hier mal vorgestellt und der kann vor allem ganz fantastisch anzeigen, wie und wo das Wetter gerade ist. Nicht für Rudisleben, dass es dort räudig war, hab ich selbst gesehen, aber ich konnte ein regenfreies Fenster in Jena ausmachen.

Besser als nix, aber jenes Jena ist nicht gerade eine Schönheit. Gut, dass ich meine Drohne dabei hatte und gut, dass der FC Carl-Zeiss kürzlich sein Stadion umgebaut hat. Wobei ich mir nicht sicher bin, wie gut das optisch wirklich ist und Optik ist ja sonst eher die Paradedisziplin von Jena.

Es ist halt was es ist – eine moderne 15.000er-Bude, die außen spannender aussieht als innen, wo es – gerade hinter der Stehkurve – doch ein paar Paderborn-Vibes nicht verbergen kann.

Die Leuchtenburg

Falls sich Fotografen her verirrt haben, möchte ich diese nicht allzu sehr enttäuschen. Jedoch spielte sich die einzige Landschaftsfotografie der Reise an 20 Minuten am Freitagabend ab. Mehr wollte sich aus Gründen, die ihr später noch erfahren werdet, nicht ergeben. Aus Jena ist es nur ein kurzer Weg raus nach Kahla, wo seit Mitte des 19. Jahrhunderts das berühmte Porzellan gefertigt wird. Über Kahla thront seit mehr als 800 Jahren die Leuchtenburg und wie es sich für einen meiner Reiseberichte gehört, war diese Burg als einziger Hügel weit und breit in dichte Wolken gehüllt. Und wie es ich für einen meiner Reiseberichte gehört, standen noch zwei riesige Baukräne direkt davor.

Meinen ursprünglichen Plan ließ ich also schneller fallen, als überraschend erfolgreiche Fußballklubs ihre Aufstiegstrainer und machte die Drohne startklar. Immerhin funktionierte das, obwohl ich vorher skeptisch war, denn ich brauchte 200 Meter Flughöhe, um diese blöden Kräne aus dem Bild zu kriegen.

Weimar merda!

Auf dem Weg zurück in Richtung meiner Unterkunft, kam mir die Idee, in der blauen Stunde mal durch Weimar zu gurken, aber Weimar hat sich dazu entschlossen, mir mit Anlauf in die Fresse zu treten. Die Stadt ist ja echt schön und voller alter Bausubstanz, nur es ist nichts davon beleuchtet. Gar nichts! Einzig die Musikhochschule wurde von den umstehenden Straßenlaternen in spärliches Licht gehüllt.

Vielen Dank SGD-Herzblut für die Hilfe bei der Recherche.

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