Du bist Fotografie-Anfänger und stellst fest, dass du ein Stativ brauchst. Du gibst „Stativ“ in die Amazon-Suche ein und wirst von den schier endlosen Möglichkeiten von 20€ bis weit über 300€ erstmal erschlagen. Der Stativmarkt ist wie der gesamte Fotomarkt: Komplett unübersichtlich und jeder Hersteller will nur dein Bestes: Dein Geld. Wenn du vermeiden willst, dass du ahnungslos in den nächstbesten Elektronik“fach“markt läufst und für 100€ ein Stativ kaufst, nur um dich hinterher über das Ding zu ärgern und festzustellen, dass es einige Monate später online für 50€ angeboten wird: Dann lies diesen Artikel. Hätte ich diesen Artikel damals gelesen, wäre mir das erspart geblieben.
Bedarfsanalyse – Was brauche ich?
Stative gibt es viele, Varianten auch. Lass mich kurz die wichtigsten Varianten vorstellen:
Material: Aluminium oder Carbon?
Welches Material soll es denn sein? Carbon ist leichter, Aluminium steht stabiler. So kann man das Ganze grob zusammenfassen, denn, Physik: Schwer steht stabiler, leicht fliegt schneller. Gerade wenn du im Dunkeln mit deinen Legofüßen versehentlich vor das Stativ trittst. Im Alltag ist die Stabilität aber fast vernachlässigbar, denn die meisten Stative kommen mit einem Haken an der Mittelsäule, an dem du ein zusätzliches Gewicht befestigen kannst. Bleiben als Kriterien noch das Gewicht und natürlich die Kosten: Du bist Vielflieger mit Handgepäck oder als Backpacker unterwegs? Dann greif zu einem Reise-Stativ aus Carbon, die Meisten wiegen ca. 1 Kg. Du bist hingegen öfters mit dem Auto unterwegs und das Packmaß spielt nur eine untergeordnete Rolle? Dann wirst du wahrscheinlich zu einem Alu-Stativ greifen. Nun fragst du dich, warum du nicht gleich ein Carbon-Stativ kaufen kannst?! Kannst du schon, aber Carbon ist im Gegensatz zu Aluminium ein eher teures Material, was sich natürlich im Verkaufspreis bemerkbar macht und wenn es dir nicht auf das Packmaß ankommt, dann greif ruhig zu einem etwas schwereren Stativ.
Die Arbeitshöhe
So egal wie es den Anschein hat, ist das zunächst gar nicht. Vergleich es mal mit deiner Einbauküche zuhause: Du bist 1,90m groß und hast eine Standard-Arbeitshöhe in der Küche? Dann hast du nach einer längeren Kochsession vielleicht auch schon mal Rückenschmerzen gehabt weil du dein Gemüse leicht gebeugt geschnitten hast? Überraschenderweise wird der Ergonomie beim Fotografieren gar nicht so ein hoher Stellenwert beigemessen, aber für mich ist das durchaus ein Kriterium. Wenn du eine nächtliche Fototour durch die Stadt machst, bist du ja einige Stunden unterwegs. Da ist ein Stativ, das du hoch genug ausziehen kannst, durchaus eine Wohltat für den Rücken. Ein Klappdisplay an der Kamera übrigens auch. 😉
Natürlich lässt sich auch hier die Physik nicht austricksen, ein möglichst kleines Reisestativ wird eine maximale Höhe von um die 1,40m haben. Ein „normales“ Stativ hingegen liegt bei ca. 1,60m. Wie beim Material gilt auch hier: Wenn es dir um den letzten Zentimeter Packmaß geht, musst du dich mit einer geringeren Arbeitshöhe arrangieren.
Berücksichtige bei diesen Größenangaben bitte immer, dass es sich um die maximale Höhe mit voll ausgezogener Mittelsäule handelt. Das solltest du nach Möglichkeit jedoch vermeiden, denn je höher du die Mittelsäule ausziehst, desto instabiler wird dein gesamtes Gebilde. Vor allem, wenn du 1,5 Kg Kamera oben drauf hast.
Die Ausstattung
Gute Stative sind wahre Verwandlungskünstler. Neben dem normalen Arbeiten als klassisches Dreibein können sie ihre Beine noch komplett flach legen, um bodennah arbeiten zu können. Meistens bieten diese Stative noch eine so genannte Makrofunktion. Hierbei kannst du die Mittelsäule verkehrt herum einschieben, um die Kamera bodennah anbringen zu können.
Vielfach kann man auch ein Bein abschrauben und mit der ebenfalls abgeschraubten Mittelsäule zu einem Einbein-Stativ kombinieren. Wenn’s doch mal Sport- oder Tierfotografie sein soll.
Ebenfalls bietet sich ein Haken an, den man an der Mittelsäule befestigen kann. Hier kannst du z.B. deinen Rucksack dranhängen, wenn’s windig ist und das Stativ mehr Gewicht braucht.
Eine sehr feine Sache ist eine Ummantelung mindestens eines Stativbeines. Schon mal im Winter an ner Laterne geleckt? Ist das gleiche Prinzip, wie mit nackten Pfoten ein Alu-Stativ anfassen zu müssen.
Es gibt Stative mit wechselbaren Füßen. Hier können die normalen Gummifüße gegen Spikes getauscht werden, die dir auf losem Gelände einen Stabilitätsvorteil bringen können.
Die Beine des Statives kann man ja bekanntlich ausziehen. Und hierfür gibt es zwei Systeme, die Drehbefestigung und die Klappbefestigung. Welche davon du bevorzugst, ist Geschmackssache und hat keinen Einfluss auf die Qualität eines Statives. Ich mag die Klappdinger etwas lieber, weil es für mich schneller geht, aber mein Stativ hat Drehfüße. Geht die Welt auch nicht von unter.
Der Stativkopf
Grob gesagt gibt es zwei verschiedene Systeme: Den 3-Wege-Kopf und den Kugelkopf. In der Fotografie scheint sich der Kugelkopf mittlerweile fast vollständig durchgesetzt haben. 3-Wege-Köpfe sind entweder teure Speziallösungen oder auf billigen 20€-Stativen montiert.
Achte auch darauf, dass eine Wasserwaage vorhanden ist und dass diese nach Möglichkeit auch dort sitzt, wo du sie ablesen kannst. Eine Wasserwaage nützt dir nix, wenn sie mit aufgesteckter Kamera vom Objektiv verdeckt wird.
Beim Kugelkopf solltest du darauf achten, dass eine Panorama-Skalierung vorhanden ist und dass sich die Kugel gut festziehen lässt und auch wirklich stabil ist.
Unabhängig von deinem favorisierten Stativkopf solltest du auf ein kompatibles Schnellwechselsystem achten. Viele Hersteller kochen da leider ihr eigenes Süppchen, es gibt aber einen herstellerübergreifenden Standard namens Arca Swiss. Achte am besten darauf, dass dein Stativ dieses Format unterstützt, sonst ärgerst du dich später nur beim Zubehörkauf.
Sonderstative
Es gibt auch allerhand spezielle Stative. Am bekanntesten ist sicher das GorillaPod mit den verstellbaren Beinen, oder das Pixi von Manfrotto im Westentaschenformat. Beim Manfrotto haben mich die Rezensionen dann doch nicht so überzeugt und der Gorillapod war mir schlicht zu teuer für ein Zweitstativ. Aufpassen beim GorillaPod: Davon gibt’s jede Menge billige Nachbauten, denen ich meine Kamera nicht unbedingt anvertrauen würde.
Ich habe mich letztens für das Zeadio entschieden. Für gerade mal 20€ hat es gummierte Füße, ist sekundenschnell einsatzbereit, besteht komplett aus Metall und mit gerade mal 16,5 cm Höhe passt es bequem in jede Hosentasche. Nun muss ich nur noch die Stadionordner davon überzeugen, dass ich damit nicht den gegnerischen Trainer k.o. werfen werde.
Wie viel Geld muss ich ausgeben?
Gib’s zu, auf die Frage hast du gewartet! 🙂
Ein gutes Aluminium-Stativ findest du ab ca. 80€
Ein gutes Carbon-Stativ findest du ab ca. 150€
Ein gutes Reise-Stativ aus Carbon startet ab ca. 100€
Finger weg von diesen billigen 20€-Dingern vom Grabbeltisch. Ich habe mit so einem Stativ angefangen und es war eine Qual. Wenn du wirklich keine Kohle hast, dann schau lieber im Kleinanzeigenportal nach einem guten gebrauchten Stativ für einen fairen Kurs. Damit hast du deutlich mehr Freude, als mit so einem billigen Schrott namens „Einsteigerstativ“.
Ich habe mein Stativ direkt von Rollei bei ebay gekauft. Hat knapp 60€ gekostet. Scheint ein Auslaufmodell gewesen zu sein, aber hey, ich habe noch kein Stativ mit Touchdisplay und Firmware-Update-Zwang gesehen. 😉 Bedeutet aber auch, dass man durchaus unter die von mir angeschlagenen Preise kommen kann, wenn man etwas die Augen offen hält.
Zu guter Letzt
Jetzt hast du wohl geglaubt, dass ich dir konkret ein Stativ empfehlen werde. Falsch gedacht! 🙂 Aber du hast jetzt eine Übersicht, auf was du beim Stativkauf achten solltest, damit die erste Fototour nicht gleich frustrierend wird.
Egal wo du kaufst, ob im Fachmarkt, oder online, probiere das Stativ aus! Stell deine schwerste Kombination zusammen (bei mir Sony Alpha 58 (APS-C) + 70-210 Tele), montiere das auf dem Stativ und mach ne Langzeitbelichtung. Die Tragfähigkeit bedeutet meistens nur „bricht zusammen ab“ und nicht „bewegt sich nicht bis“. Viele billige Stative machen leider schon früher die Grätsche, gerade mit einem schweren Tele, wenn die ganze Konstruktion frontlastig wird. Das merkst du dann bei der Langzeitbelichtung, wenn der Stativkopf die montierte Kamera nicht vollständig fest halten kann.
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