Ein Jahr mit der Nikon Z6 – Zehn (nervige) Dinge, die ich gerne VOR dem Kauf gewusst hätte

Ein Jahr mit der Nikon Z6 – Zehn (nervige) Dinge, die ich gerne VOR dem Kauf gewusst hätte

„Das ist der schlechteste Clickbait-Titel, auf den ich je geklickt habe.“ – „aber du hast auf ihn geklickt!“ Grüße von Jack Sparrow.

Eins vorweg: Die Nikon Z6 ist eine fantastische Kamera, deren Funktionsumfang ich in dem Jahr vielleicht zu 30% ausgereizt habe. Wenn überhaupt. Aber auch bei dieser Kamera wurden von den Entwicklern einige Entscheidungen getroffen, die ich erstmal nicht nachvollziehen kann und die mir mal mehr, oder mal weniger auf den Sack gehen. Dass das meine persönliche Meinung ist und das hier keine Allmachts-Phantasien entwickeln soll, versteht sich von selbst.

1. Das Raster

Man kann sich im Display ja ein Raster einblenden lassen, das einem dann bei der Bild-Komposition unterstützen soll. Thema Drittel-Regel, Goldener Schnitt, sowas halt… Wer bei Nikon kam auf die glorreiche Idee nur und ausschließlich ein 4×4-Raster anzubieten? Was soll denn die Viertel-Regel sein? Und warum zur Hölle kann man dem Anwender nicht mehrere Optionen geben?

Ich raste(r) aus! Ein 4×4-Raster als einzige Option an der Nikon Z6

Das schafft sogar – aufgemerkt und angeschnallt – meine olle Sony A58. Die ist von 2013 und hat ungefähr 1/6 der Z6 gekostet. Jedes Smartphone kann übrigens auch das Drittelraster einblenden. Nikon nicht. Sturköpfe!

Bei der Sony Alpha 58 kann ich das gewünschte Raster wählen

2. Histogramm & Wasserwaage

Geht nicht zusammen! Ich kann entweder nur das Histogramm, oder nur die Wasserwaage anzeigen lassen, aber nicht beides zusammen. Warum zum Henker nicht? Auch kann ich NICHT auswählen, welche Sichten ich im Live-View überhaupt benötige. Ich würde es sofort auf Histogramm, Wasserwaage und meinetwegen noch „ohne alles“ zusammenstauchen – geht nicht. So muss ich jedes Mal mühsam 5x durchschalten, bis ich von der Wasserwaage beim Histogramm bin. Im Anzeigemodus kann ich verschiedene Sichten ein- und ausschalten. Warum nicht im Fotomodus/Live-View? Ergibt keinen Sinn.

3. Objektivdeckel

Diesmal kein Software-Problem, sondern es geht um die Objektiv-Schutzkappen. Und zwar nicht um die, die vorne am Objektiv drauf sind, sondern um die Schutzkappen auf der „Kameraseite“ des Objektivs. Die Dinger sitzen bombenfest! Nun wirst du sicher denken „ach, ist doch super, so fallen sie nicht ab.“ Mag sein, aber das wird spätestens dann lästig, wenn du irgendwo im Wald stehst und das Objektiv wechseln willst. Das ist mit zwei Händen fast unmöglich, denn du musst die Kamera festhalten, und weil dieser Deckel so spack am Objektiv sitzt, bräuchtest du noch zwei weitere Hände, um diesen Deckel abzuschrauben. Ich bin doch kein Oktopus! Die Kamera an der Handschlaufe baumeln zu lassen, oder sie ohne Sensorschutz in die Tasche zu stellen, klingt auch nicht cool. Das ging beim alten F-Mount, oder auch beim Sony-A-Mount wesentlich geschmeidiger.

4. Selbstauslöser

Auch wieder so’n Software-Ding! Wem ist denn bitte eingefallen, dass es eine gute Idee wäre, den Selbstauslöser nach jedem Ausschalten (ob manuell, oder im Energiesparmodus) zu deaktivieren? Der überwiegende Anwendungsfall für den (2 Sekunden-) Selbstauslöser ist doch Folgender: Ich baue meine Kamera auf’s Stativ, richte das aus und warte dann auf das passende Licht. Und immer wenn sich das Licht ändert, mache ich kurz ein Foto. Wenn die Kamera in der Zeit in den Energiesparmodus geht und ich sie danach wieder wecke, hat sich der Selbstauslöser zurückgesetzt. Wenn man dann vergisst, das Ding wieder zu aktivieren und zufällig gerade 30 Sekunden Belichtungszeit eingestellt sind, hat man viiiiel Zeit, Nikon für diese Design-Entscheidung zu verfluchen. Führt dazu, dass ich die Kamera die ganze Zeit eingeschaltet lasse, was für Stromverbrauch, Akku-Lebensdauer und somit Nachhaltigkeit ganz sicher nicht vorteilhaft ist.

Fun-fact: Stellt man z.B. den Serienbildmodus ein, bleibt dieser nach dem erneuten Einschalten der Kamera aktiviert. DAS soll mal einer verstehen…

Wo ich gerade über den Selbstauslöser am meckern bin… vorne an der Kamera ist eine grüne LED, die bei eingeschaltetem und ausgelöstem Selbstauslöser wie wild in der Gegend herumblinkt. Warum kann ich das nicht abschalten? Nachts in der Stadt sind komische Blinklichter nicht unbedingt gut zu gebrauchen, Stichwort „Ablenkung von Verkehrsteilnehmern“

5. Objektive

Die Objektive an sich nerven mich nicht. Na gut, außer die Vignette am 24-70 f4 vielleicht. ABER: Gebt doch bitte endlich eure Spezifikationen frei! Aus Nikon-Sicht natürlich verständlich, dass die ihre Bajonett-Spezifikationen nicht offen legen wollen, aber hat sich schon mal jemand gefragt, warum Sony so einen bahnbrechenden Erfolg mit ihren Systemkameras hat? Also abgesehen von Dauer-Beschallung auf YouTube und cleverem Marketing? Die Usability wird’s wohl kaum sein… Weil es für dieses System hunderte, wenn nicht tausende verschiedene Objektive gibt!

Nikon (und Canon) hatten fünf Jahre Zeit, den Markterfolg von Sony zu analysieren – und verkacken’s komplett! Canon bietet fast ausschließlich Profi-Linsen für das RF-Bajonett an, oder verlangt für ein 14-35 f4 mal eben schlappe 1.800€. Kein Tippfehler. Das völlig ausreichend gute Nikon-Pendant kostet übrigens die Hälfte. So ein „Nifty-Fifty“, also ein billiges 50mm f1.8 kostet für Sony keine 200€. Nikon ruft für das Ding am Z-Mount über 500€ auf. Das neue Nikkor 100-400 mit einer Licht“stärke“ von 4.5 bis 6.3 kostet schlappe 3.000€. Auch kein Tippfehler. Das Tamron für Nikon F gibt’s für 649€. Just sayin’…

Ändert aber nichts daran, dass bei Nikon Z noch wichtige/interessante Zoom-Objektive fehlen, die z.B. Sigma oder Tamron durchaus liefern könnten – wenn sie denn dürften. Das Tamron 35-150 f2.8-f4 habe ich für das Nikon F und zusammen mit dem FTZ-Adapter ist es an der Z6 genau die zwei Zentimeter zu groß, um nicht mehr in meine Hüfttasche zu passen. Sicher, das ist ein Exot und irgendwann mal gibt’s sowas vielleicht auch mal für’s Z-System. Aber Sony hat nun mal den Weg vorgegeben und wenn Canon oder Nikon tatsächlich etwas Marktforschung betrieben haben/hätten, müssten sie eigentlich von selbst drauf kommen. Es gibt ja genügend Leute, die keine Sony wollen, nur müssen diese eben auch abgeholt werden.

6. XQD-Karten

Wusste ich vor dem Kauf, aber… was zum Henker soll das? Und vor allem: Warum zum Geier bleibt ihr eurer Linie nicht treu und setzt bei der Z6II und Z7II wieder auf die SD-Karte, bzw. auf beides parallel?

XQD-Karte (links) vs. SD-Karte. Stabil, aber teuer

So wird die XQD ein Nischenprodukt bleiben, das einfach unverschämt teuer ist. Klar, die XQD-Karten sind besser und sehen auch stabiler aus, als die SD-Karten. Wem schon mal diese Plastiklamellen an einer SD-Karte abgebrochen sind, weiß wovon ich rede. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass eine XQD-Karte momentan 5-10x teurer ist, als eine SD-Karte und über 100€ für eine Speicherkarte auszugeben, finde ich zumindest mal fragwürdig.

7. Klappdisplay

Ok, immerhin gibt es ein Klappdisplay – vor einigen Jahren noch undenkbar. Aber schon mal bodennahe Hochkant-Fotos mit dem Ding gemacht? Warum kriegen es Canon und Fuji (und jetzt brandneu sogar Sony mit seiner A7 IV) auf die Reihe, das in die Kameras einzubauen und mit der Z6 wird jede bodennahe Hochkant-Aufnahme zu einem Krampf?

Nicht für Hochkant-Fetischisten: Das Klappdisplay der Nikon Z6

Die Nikon Z fc kann das übrigens auch. Die nur ein halbes Jahr vorher erschienene Z6 II kann das nicht. DAS wäre sogar mal ein Feature gewesen, wofür manche sogar von Z6 auf Z6II aufgerüstet hätten. Verstehe ich nicht…

8. Belichtungszeit

Nur ein Aufhänger, um die grundsätzliche Politik von Nikon zu hinterfragen. Bei der Z6 kann ich 30 Sekunden als längstmögliche Belichtungszeit einstellen, bevor ich in den Bulb-Modus wechseln muss. Unabhängig davon, dass Olympus bis zu 60 Sekunden kann (und mir sogar einen mitlaufenden Timer im Bulb-Modus anzeigt – Donnerwetter!), kann die Z6 II/Z7 II bis zu 900 Sekunden ohne Bulb/Zubehör/Fernauslöser belichten. Warum wird das auf die Z6 nicht auch draufgepatcht? Glaubt Nikon tatsächlich, dass ich mein gerade mal zwei Jahre altes Modell nur für diese paar Detailverbesserungen auf den Haufen werfe und mir jetzt freudestrahlend eine Z6II kaufe? Im Sinne der Nachhaltigkeit eine äußerst fragwürdige Firmenstrategie.

9. Live Composite für Arme

Bei Olympus gibt eine Funktion namens Live Composite. Grob gesagt machst du damit ein Bild und solange du den Auslöser gedrückt hältst, werden nur neue Bildteile dem Foto hinzugefügt, wenn sich die Lichter verändern. Also zum Beispiel wenn du auf einer Autobahnbrücke stehst und Leuchtspuren der Autos fotografieren willst. Die Kamera rechnet das ‚ingame‘ zusammen und raus kommt ne fertige RAW-Datei. Auch bei Hannois E-PL8, die es für 200€ bei Ebay gibt. Nikon „kann“ das tatsächlich bei der Z6 auch, nennt sich Mehrfachbelichtung. Ich kann bis zu 10 Aufnahmen hintereinander machen lassen und je nach vorausgewähltem Programm werden entweder nur Lichter hinzugefügt, das ganze Bild aufgehellt, usw… Du hast also 10 RAWs und was macht Nikon daraus? Richtig, ne JPEG! Ey, what the heck??? Eine 200€-Olympus kann daraus ne RAW machen und die Z6 rechnet das zu nem verdammten JPEG zusammen?! Was soll ich damit? Diese Funktion richtet sich offensichtlich an experimentierfreudige Leute, die „ambitioniert“ fotografieren. Wie viele von denen nutzen JPEG out of cam? Eben. Auf Nachfrage beim Nikon-Support ist nicht vorgesehen, das in RAW anzubieten. Nagut.

10. Nikon SnapBridge App

Nach dem Desaster mit Sony-Fernsteuerungsapps habe ich gedacht, dass es alle anderen ja zwangsläufig besser können MÜSSEN. Nikon so: „Hold my Sake!“ Du hast die Wahl zwischen Bluetooth- und WiFi-Verbindung zur Kamera. Theoretisch. Bluetooth wäre für den Standort interessant, denn die Kamera holt sich vom Smartphone den Standort und schreibt ihn mit in die EXIF-Daten. Theoretisch². Wenn ich eine verdammte Bluetooth-Verbindung hinkriegen würde. Ging mal. Geht jetzt nicht mehr. Aus Gründen.

Im „normalen“ Modus geht der Live View. Aber dann kann ich die Kamera auch direkt bedienen…

Aber das war noch nicht alles. In der Fernsteuerungs-Funktion kann ich auf alle relevanten Einstellungen zurückgreifen, also Belichtung, Blende, ISO, usw… plus Live View. Eigentlich ganz schön. Nur warum kann ich nicht in der App in den Bulb-Mode umschalten, um länger als 30 Sekunden belichten zu können (siehe Punkt 8!). Und warum zum Henker habe ich, wenn ich den Bulb-Modus in der Kamera eingestellt habe, plötzlich in der App weder LiveView, noch kann irgendwelche anderen Einstellungen (Blende, ISO, etc.) vornehmen? Ich muss immer erst aus dem Fernsteuerungsmodus raus, Einstellungen an der Kamera ändern und dann Kamera und Smartphone neu verbinden. Wer denkt sich sowas aus? Hat irgendein Entwickler von Nikon mal mit dem Ding fotografiert, oder haben die das nur schnell aus dem Ärmel geschüttelt, weil man „sowas ja heutzutage haben muss“?

Live View in der Langzeitbelichtung? Wo denkst du hin?!

Müßig zu erwähnen, dass auch keine Stoppuhr im Bulb-Modus mitläuft. Das wäre ja zu einfach. Anders als eine 200€-Olympus ist Nikon leider nicht in der Lage, einen mitlaufenden Timer einzublenden (egal ob im Kameradisplay, oder in der App), um die bereits verstrichene Belichtungszeit anzuzeigen. Gut, dass Android eine Split-Screen-Funktion hat. Theoretisch³. (hast du das gehört, Tim Cook???). Tja, blöd. Nikon hasst Android – Split Screen nicht möglich.

BIsher habe ich in 12 Monaten exakt einen Anwendungsfall für diese sinnlose App kreieren können: Ich stand in Wuppertal am Stadionzaun und musste die Kamera mittels Stativ und ausgestrecktem Arm auf ca. 3 Meter Höhe bringen. Für Langzeitaufnahmen ist die App hingegen Kernschrott.

Fazit

Ja, das ist Meckern auf hohem Niveau und manche Dinge nerven mich weniger als andere. Aber das Nerv-Potential ist zu 96% software-basiert und sowas könnte man mit einem Firmware-Update sicher schlauer regeln. Sämtliche Support-Anfragen, die ich bisher zu einigen dieser Themen bei Nikon platziert habe, wurden immer wie folgt beantwortet: „Diese Funktion steht momentan nicht zur Verfügung. Zum Inhalt späterer Firmware-Updates können wir noch keine Aussagen treffen.“

Fuji hat mit Erscheinen der X-T4 auf Kundenfeedback gehört und auf vielfachen Kundenwunsch einige Detailverbesserungen eingebaut. Mal schauen, ob Nikon bei einer eventuellen Z6 III auch diesen Weg geht, oder so stur bleibt, wie bei der Strategie zum Z-Mount.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert