Ein fußballerischer R(h)einfall – Basel Teil 1

Ein fußballerischer R(h)einfall – Basel Teil 1

Uff. Hier muss ich erstmal wieder etwas entstauben. Ukraine-Krise, daraus resultierend astronomisch hohe Spritpreise. 9€-Ticket, daraus resultierend astronomisch hohe Hotelpreise. Nebenbei noch die Bude renoviert und ehe man sich versieht, war ich ein halbes Jahr quasi nirgendwo und deshalb gab’s auch nix zu schreiben. Da ich so viel über die Bahn meckere, wird es in Teil 1 fast keine Fotos zu sehen geben. Dafür in Teil 2 umso mehr. Falls ich irgendwo gute finde.

Es bahnt sich was an

Hannoi hatte ja schon im Juli die grandiose Idee, nach Stettin zu fahren, um sich dort Brøndby IF in der Qualifikation zur Conference League anzuschauen. Diesem Vorhaben konnte ich dank Corona nicht beiwohnen, dafür war ich für die nächste Quali-Runde Feuer und Flamme, zumal es ebenfalls in eine durchaus interessante Stadt ging; nach Basel! Leider war ich diesmal derjenige, der für die Schnapsideen zuständig war, denn ich kam auf den glorreichen Einfall, diese Reise mit der Bahn anzutreten. Wären wir, wie normale Menschen, mit dem Auto gefahren, wäre uns einiger Ärger erspart geblieben. Und dieser Bericht wäre nur ungefähr halb so lang, was dann wieder schlecht für euch gewesen wäre.

Damit diese Rechnung überhaupt zugunsten der Bahn aufgeht, brauchten wir dieses Egal-Wohin-Ticket, das für 39,90€ eine einfache Fahrt mit egal welcher Bahn innerhalb Deutschlands erlaubt. Jetzt wirst du vielleicht gestutzt haben, denn es soll doch nach Basel gehen und ich kann dich dahingehend beruhigen, dass die Bundeswehr dort nicht zwischenzeitlich einmarschiert ist.

Ein bisschen Trivia: In Basel gibt es einige Bahnhöfe, für Deutschland am Wichtigsten ist neben dem Hauptbahnhof (Basel SBB) der Badische Bahnhof (Basel Bad). Und jetzt sag dreimal hintereinander „Basel Badischer Bahnhof“. Dieser ist – wie einige andere Bahnhöfe im schweizerischen Grenzgebiet auch – deutsches Hoheitsgebiet. Also gilt dieses Ticket auch dort.

Hin und zurück für 80€ ist mal ein fairer Kurs, zumal Hannoi anderenfalls erst mit dem Auto zu mir hätte gurken müssen und wir in Basel für zwei Nächte parken auch locker nochmal nen Fuffi losgeworden wären.

Bei der Ticket-Buchung für’s Spiel kam uns unsere Trägheit zugute. 48 Franken (Kurs ca. 1:1) wollten die für das Spiel haben, zwei Tage vorher gab es die Karten dann aber plötzlich für nen Zwanni. Wir entschieden uns daraufhin, die Tickets vor Ort zu holen.

Von Bahnausen und letzten Zügen

Nun denn, Abenteuer Bahnfahrt. Die letzten Wochen waren die Nachrichten voller Schauergeschichten nicht nur von Flughäfen, sondern auch von der Bahn. Die Pünktlichkeitsquote fiel auf den schlechtesten Wert seit Dezember 2010 – und da hatten wir einen echt garstigen Winter. Hoffnungsfroh begab ich mich zur S-Bahn… um dort 10 Minuten zu warten. „Verspätung eines vorausfahrenden Zuges“ wusste der Lautsprecher, „Stellwerk defekt“ wusste die Bahn-App. „Sie werden Ihren Anschluss in Köln nicht erreichen“, wusste eine E-Mail der Bahn. Hauptproblem war nicht die S9, sondern die Regionalbahn, die ich in Wuppertal besteigen sollte. Diese hatte bereits vorher irgendwas um die 45 Minuten Verspätung angesammelt. Ich beschloss, daraufhin zum Hauptbahnhof durchzufahren, denn dort gibt es wesentlich mehr Anschlussmöglichkeiten. Nachricht an Hannoi: „Du siehst Kassel, ich sehe Wuppertal. Stelle fest, dass wir beide irgendwas verbrochen haben müssen.“

Dort bediente ich mich eines Regional-Expresses, der des Weges geschlichen kam. Dieser sollte 20 Minuten vor Abfahrt meines ICE in Köln eintreffen, was ich für genug Puffer hielt. Los fuhr das Ding schon mal pünktlich, trotz dass er von einem englischen Unternehmen betrieben wurde, die von Eisenbahn gemeinhin ja noch weniger verstehen als unser wunderbarer Staatskonzern. Leider musste der RE alsdann, noch auf Wuppertaler Stadtgebiet, 10 Minuten in der Wildnis stehen, weil ein ICE mit 80 Minuten Verspätung unbedingt vorbei wollte. Das erste von nur so vielen Beispielen allein an diesem Wochenende, warum z.B. in Frankreich und Japan bei der Einführung von Hochgeschwindigkeitszügen so viel mehr richtig gemacht wurde, als hierzulande. Aber hey, von einem Konzern, dessen Bahnen erst ab einer Verspätung von mehr als 6 Minuten auch statistisch als verspätet gelten, sollte man vielleicht nicht die Weitsicht erwarten, seine ICE konsequent auf eigene Gleise zu stellen. Ständige Ausbremsungen, weil vorneweg ein Güterzug oder ne Regionalbahn fährt, sind doch auch für die Fahrgäste viel unterhaltsamer.

Lokomotiven werden neuerdings aus 40″-Containern zusammengeschweißt

Ich konnte jedenfalls von Glück reden, dass sich auch der ICE mittlerweile eine Verspätung von 10 Minuten draufgeschafft hat, sonst wäre der tatsächlich futsch gewesen. Ehe bereits der ICE einfuhr, schaffte ich es gerade so eben, die Hälfte meiner ungefähr drei Jahre alten Laugenstange zu verputzen, die ich aus niedersten Racheinstinkten beim Wuppertaler Bahnhofsbäcker in die Hand gedrückt bekam. Wer könnte auch ahnen, dass die Verkäuferin so garstig reagiert, wenn man das nicht funktionierende EC-Gerät mit „naja…willkommen in Wuppertal“ kommentiert… 🙂

Würde Bahnfahren immer so funktionieren, wie zwischen Köln und Frankfurt, wo das Ding ohne großartige Zwischenhalte mit 300 km/h durch den Westerwald brettert, ich wäre Fan dieses Ladens. Ich lasse entspannt die Landschaft an mir vorbeiziehen und nicht mal das enthusiastische Würfelspiel am Tisch hinter mir bringt mich irgendwie aus der Fassung. Die Realität beschrieb ich bereits im vorherigen Absatz…

Diese Realität bekam in diesem Moment auch Hannoi zu schmecken, denn in seinem Zug stellte man kurz vor Frankfurt wohl relativ spontan fest, dass man heute in Mannheim nicht anhalten möchte. Aus meiner Sicht verständlich, ist das Kaff doch so hässlich wie die Nacht finster, aber Hannoi wollte dort eigentlich in meinen ICE umsteigen. Gut, dass wir beide in der Lage sind, Alternativen zu finden und so stieg er bereits am Frankfurter Flughafen aus, schob sich drei Burger in die Figur („die letzte günstige Mahlzeit der nächsten 3 Tage“) und nahm neben mir Platz.

Das wollt ihr nicht!

Wie so etwas aber Leute jenseits der 70 hinkriegen sollen, frage ich mich da schon. Ihr könnt doch nicht einfach fünf Minuten bevor es donnert, einen wichtigen Umsteigehalt einfach so ausfallen lassen. Die ältere Dame neben mir war auch schon der Verzweiflung nahe, denn sie wollte sich in Mannheim mit einer Freundin treffen und dann gemeinsam weiterreisen. Diese kam allerdings schon gar nicht aus ihrem Startort Bingen weg, weil auf der Strecke ein Feuerwehreinsatz war. Oder die Dame mittleren Alters vor mir, die um 5 Uhr in Ostfriesland startete, kurze Zeit später aufgrund eines defekten Zuges zwei Stunden auf offener Strecke stand und sich beim erstbesten Aufenthalt in Lingen erstmal ne Büchse Pils bei ein paar Jugendlichen schnorrte.

Übrigens, bei der später noch zu befahrenden Strecke von Karlsruhe nach Basel zoffen sich die Deutschen seit einiger Zeit mit der Schweiz. Diese hat ihren Teil zur geplanten europäischen Magistrale schon längst fertig, während man in Deutschland jetzt dann auch mal angefangen hat. Geplant ist dieser viergleisige Ausbau seit 1987. Fertig sein will man im Jahre 2041!!! Das sind fast 60 Jahre! Für einen Ausbau einer Bahnstrecke! Dieses Land ist so im Eimer…

Dies sind nur einige von täglich tausenden Beispielen, wie die Bahn es schafft, ihre Passagiere in die Weißglut zu treiben. Sowas kann man nur mit ganz viel Idealismus ertragen, oder mit Alternativlosigkeit. Die Verkehrswende wird allerdings nur gelingen, wenn man günstig und zuverlässig ist und nicht teuer und unzuverlässig.

Die Basis in Basel

Genug gemeckert (vorerst), denn wir erreichten tatsächlich irgendwann Basel und das auch nur mit 45 Minuten Verspätung. „Das Hotel ist nur 700 Meter entfernt.“ Wie weit 700 Meter sein können, wenn man Kameraausrüstung und Klamotten durch eine über 30 Grad heiße Stadt schleppen muss, ahnte ich vorher nicht. Das Hotel lag genau an der Messe, die wiederum mitten in der Stadt ist. Verrückte Schweizer, aber immerhin sorgte dies für eine gute Erreichbarkeit.

„Check-In Automat defekt, gehen Sie bitte ins benachbarte Hotel.“ Vorzüglich… Hannoi freute sich über die willkommene Raucherpause, passte auf das Gepäck auf und ich lief zum Nachbarhotel, um dort einzuchecken. Dort durfte ich auch 4 CHF pro Person und Nacht Tourismusabgabe zahlen, bekam im Gegenzug allerdings die Baselcard, mit der man kostenlos sämtliche Transport-Angebote der Stadt nutzen kann, freies W-Lan in vielen Bereichen der Innenstadt hat und in vielen Museen, Theatern und im Zoo 50% Ermäßigung bekommt. Diese Karte kann man als Pappticket mitführen, oder mit dem Smartphone scannen und dann online nutzen.

Ich mag unreflektierten Hass

Bei unserer Hotel-Wahl war Geiz und Hektik irgendwie geiler, als nen Zwanni mehr für das Ibis am anderen Ende der Stadt hinzulegen. Das hätte nämlich ne Klimaanlage gehabt. Dieses Easy-Hotel (Franchise der Billig-Airline) hatte keine Klimaanlage zu bieten, dafür Bettzeug, das auch bei -10°C vermutlich noch vorzüglich gewärmt hätte. Immerhin stellten sie einen billigen Ventilator der Marke Weber ins Zimmer, was uns mutmaßen ließ, ob man darauf auch Würstchen grillen könnte.

Jedoch stellten wir entzückt fest, dass die Straßenbahn vor der Tür direkt bis zum Stadion fuhr und so gammelten wir einfach noch eine Stunde im Zimmer rum, bevor wir starteten. Praktischerweise fuhr die Bahn auf ihrem Weg zum Stadion mitten durch die Stadt, sodass wir einen ersten Eindruck klimatisiert und gratis bekamen.

Das Stadion

Ebenfalls einen ersten Eindruck bekamen wir am Stadion von der Faulheit der Schweizer, irgendetwas auszuschildern. Einfach nirgendwo war die Tageskasse verzeichnet, ein Ordner wusste auch nicht weiter und dann fanden wir uns im Fanshop weiter, was genauso falsch war, uns aber immerhin die erste Begegnung mit diesem „Deutsch“ bescherte. „Hast du die jetzt verstanden?“ „Ja, sicher. Treppe hoch und immer geradeaus. Hat se doch gesagt…“ „aaaachso…“ Tatsächlich war dort ein Kassenhäuschen und tatsächlich wollte man uns dort sogar Karten für die versprochenen 20 CHF überlassen. Die Taschenkontrolle war keiner Erwähnung wert, Hannoi hatte mit seiner Olympus und dem 9-18mm-Objektiv keinerlei Schwierigkeiten und ich habe meine Kamera erst gar nicht mitgenommen. Hätte ich wohl ohne Probleme tun können, ich wollte mich – nach dem letztjährigen Verkauf meiner RX100 – aber auf’s Handy verlassen. Hat geklappt, auch wenn ich die Politik vieler Hersteller nicht verstehe, den Pro-Modus (und somit die Möglichkeit, RAWs zu schießen), nur auf die Hauptlinse zu begrenzen.

Panorama des ‚Joggeli‘ mit Choreo der FCB-Kurve und Pyro im Gästeblock

Die Heimstätte des FC Basel, der St. Jakob-Park wurde letztmalig zur EM 2008 erweitert und ist mit ca. 38.500 Plätzen das größte Stadion des Landes. Das „Joggeli“, wie es von den Einheimischen genannt wird, ist von außen wirklich potthässlich, von innen aber eins der schöneren Stadien des Kontinents. Möglich machen es die dreirangige Gegentribüne und die Haupttribüne, die mit einer großzügig verglasten VIP-Behausung daherkommt, die mit ihrer ebenso großzügigen Beleuchtung ein bisschen an den Palast der Republik erinnert. Auf dem Dach finden sich kleine Flutlicht-Masten ringsrum. Im Stadion tragen die Ränge übrigens die Bezeichnung Parkett, Balkon und Galerie. Viel größer dürfte es auch nicht ausfallen, das Joggeli, denn es steht etwas gequetscht zwischen Hauptbahn und der St. Jakob-Allee. Südlich davon schließt sich ein weitläufiger Sportpark an. Der Grund für die gequetschte Bauweise lässt sich in den Anfängen des Stadions in den 1930ern finden: Die St. Jakob-Allee bildet gleichzeitig die Kantonsgrenze zwischen Basel-Stadt (nördlich) und Basel-Landschaft (südlich) und die zu erwartenden Steuereinnahmen aus dem Stadionbetrieb sollten doch bitteschön auf Stadtgebiet fällig werden.

Es spielte nur einer…

Es ist tatsächlich fast drei Jahre her, seitdem ich das letzte ernsthafte Fußballspiel gesehen habe. Ich freute mich also sogar etwas darauf, trotz meiner mittlerweile noch ausgeprägteren Abneigung gegen diese Hochglanz-Kirmesbuden namens UEFA und Co.

Pyro im Gästeblock

Zum Spiel nur so viel: Ich habe selten so etwas einseitiges erlebt. Brøndby tat alles dafür, den knappen (und viel zu niedrigen) Vorsprung aus dem Hinspiel zu verdaddeln. Es ging hitzig zu, der deutsche Schiedsrichter Christian Dingert musste insgesamt 11x gelb zeigen, hatte die Partie aber verhältnismäßig gut im Griff. Basel hatte ungefähr 600 Torchancen, diese wurden aber reihenweise vom besten Mann auf dem Platz, BIF-Torwart Hermansen vereitelt. Gegen das Unvermögen seiner Vorderleute und gegen das ständige Anrennen der Basler war aber auch er machtlos, sodass Basel das Spiel mit 2:1 für sich entschied, was – unter Berücksichtigung des Hinspiels – in einem Elfmeterschießen mündete. In diesem, wie schon im Spiel, merkte man eindeutig, wer die reifere Mannschaft war. Während BIF ein Durchschnittsalter von gefühlt 18 Jahren auf dem Platz hatte, zeigte Basel mit seiner ganzen Erfahrung, wie man fast perfekte Elfmeter schießt. Der Heimvorteil tat sein Übriges, das während des Spiels doch eher durchschnittliche Joggeli erwachte pünktlich zum Elfmeterschießen in einer Lautstärke, die ich bisher selten in einem Stadion vernommen habe.

Smartphone-Linse + Flutlicht = Scheißkombination

Hannoi war bedient, ich tatsächlich auch ein bisschen – Zeit für zwei Dinge, die mich in Basel unglaublich genervt haben. Erstens: Du bekommst nach 19/20 Uhr quasi nirgendwo mehr irgendetwas zu trinken, außer dich für horrende Preise in eine Kneipe zu setzen. Kioske, wie wir sie hier kennen, gibt es zwar, allerdings schließen die ähnlich früh wie diese ganzen Mini-Supermärkte, die überall in der Stadt verteilt sind. Gut, dass ich während des Spiels ungefähr 3 Liter Wasser in mich reingeschüttet habe. Das Zweite ist die nicht vorhandene Beschilderung der Tram-Stationen. Diese sind – gerade im Zentrum – gerne mal aufgeteilt, sodass die Station in verschiedenen Straßen verschiedene Bahnsteige hat. Sagt einem aber niemand, du weißt also nicht, ob du nun nach links oder rechts laufen musst. Dieses nicht sehr touristenfreundliche Konzept, gepaart mit sehr knapp kalkulierten Anschlüssen, ließ uns einige Bahnen verpassen. Ein Problem ist das allerdings nicht, die Dinger fahren auch abends noch in manierlichem Takt.

Wir hatten so gar keine Motivation mehr, irgendetwas zu machen, zumal die Stadt stockfinster war. Also besorgten wir uns am Bahnhofskiosk, der immerhin bis 23 Uhr offen hat, ein paar gekühlte Getränke und ließen den Abend auf dem Zimmer ausklingen. Einschlafen funktionierte ob der Affenhitze aber mal so überhaupt nicht…

Teil 2 folgt…

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