Krawehl, Krawehl – ein Roadtrip durch die Slowakei

Krawehl, Krawehl – ein Roadtrip durch die Slowakei

Eigentlich sind wir nur in die Slowakei gefahren, weil Hannoi seinem Groll gegen Südwestdeutschland mal wieder freien Lauf gelassen hat. Das waren jedenfalls die beiden Optionen, die wir uns ausgeknobelt hatten. Sein Groll und die Möglichkeit, das mit ein paar Fußballspielen zu kombinieren, nötigten uns letztlich dazu, in die Slowakei zu fahren. Von der wusste ich – wie bereits im Beitrag zur Fotoplanung beschrieben – vorher nicht allzu viel. Ich dachte mir nur, dass es dort bestimmt schön ist. Damit lag ich glücklicherweise richtig.

Morgens, halb 7 in Deutschland

Schön war auch der Sonnenaufgang, den ich auf der morgendlichen A2 bewundern durfte. Weniger schön war das Übliche kurz vor Hannover. Kommen wir zu einem Klassiker auf diesem Blog: „Nennen Sie ein Verkehrshindernis mit sieben Buchstaben!“ „Garbsen!“ War dann sogar relativ egal, denn auch Hannoi war alles andere als pünktlich an unserem hannöverschen Treffpunkt. Seine Zylinderkopfdichtung ist ihm auf dem Hinweg um die Ohren geflogen und so ging es im Schritttempo die B6 entlang – also nicht viel schneller als sonst morgens. Dafür landete nicht nur sein Gepäck in meinem Kofferraum, sondern auch ein paar leere, abgeranzte Behältnisse. Wir müssten auf dem Rückweg irgendwo (Kühl-) Wasser holen, damit er es noch nach Hause schafft. Das klingt nach einer Menge Spaß, aber erstmal überließen wir seinen Engländer dessen Schicksal und machten uns bei strahlendem Sonnenschein auf in Richtung unseres ersten Ziels: Brünn! Der findige Leser wird bemerkt haben, dass Brünn nicht in der Slowakei liegt. Allerdings gibt es dort eine wahre Stadionperle zu bestaunen und zu fotografieren.

Erstmal jedoch erfreuten wir uns am schönen Herbstwetter, der leckeren Thüringer Roster unterwegs und der freien A14. An der prognostizierten Ankunftszeit erfreuten wir uns jedoch weniger. 17:50 Uhr wusste das Navi zu berichten, Sonnenuntergang wäre 5 Minuten früher und ein Tankstopp stand uns auch noch bevor. Nun passierten wir aber erstmal die Grenze nach Tschechien und wenige Kilometer später staunten wir Bauklötze. „Guck mal, der Berg da ist völlig vom Nebel verhüllt“, sagte ich eher euphorisch zu Hannoi.

Dieses Bild lacht uns aus: „Prahahahahaha!“

Von Kilometer zu Kilometer wurden wir jedoch weniger euphorisch, denn dieser Nebel wurde tiefer und dichter und machte keinerlei Anstalten, sich wieder zu aufzulösen. Den Tankstopp nutzten wir, um einen Stau zu umfahren, und kamen auf dem Rückweg durch eine kleine Stadt, die mitten in eine Festung gebaut war. Wir wunderten uns noch, dass dort ein Holocaust-Mahnmal stand, erst für die Recherche für diesen Beitrag bin ich darauf gestoßen, dass wir in Terezín und somit im KZ Theresienstadt waren. Ein paar deutlichere Hinweise für die nicht-tschechischsprachige Menschheit hätte ich sehr begrüßt.

Quizfrage: Wie kann man durch Prag fahren, ohne etwas von Prag zu sehen? Die waren so schlau und haben ein riesiges Tunnelsystem gebaut, knapp 10 km durchquert man unterirdisch und die wenigen überirdischen Momente? Tja, da war noch dieser Nebel…

Der Weg von Prag nach Brünn ist nichts für dich, wenn du dich schnell langweilst. Du durchquerst Gegend. Sehr viel Gegend. Links und rechts der Autobahn passiert absolut gar nichts. Dennoch ist an ein entspanntes Fahren nicht zu denken, jedenfalls nicht, wenn du ein Date mit einem abgetakelten Stadion hast und dieses nicht in der absoluten Finsternis ausleben willst. Dank eines mächtigen Staus vor Brünn verzögerte sich unsere voraussichtliche Ankunftszeit auf mittlerweile 18:15 Uhr und das würde ewige Finsternis bedeuten. Wir überlegten lange, ob wir lieber über die Dörfer fahren sollen und entschlossen uns letztlich auch dafür, denn das Stadion lag sowieso im Norden der Stadt und die Autobahn führt südlich vorbei. Also ging es für gut 40 km durch die Prärie, wo wir allerdings den Abendverkehr auch etwas unterschätzten.

Za Lužánkami, Brno

Um Punkt 18 Uhr kamen wir am Stadion an und waren „erleichtert“, dass die blaue Stunde sowieso ausfiel. Passend dazu fing es an zu regnen. Allerdings passte zumindest der Regen auch ganz hervorragend zum Fotomotiv, dem Stadion Za Lužánkami. Hier trug der FC Zbrojovka Brno bis 2001 seine Heimspiele aus.

Blick vom Zaun ins Za Lužánkami | Fuji X-T4 & Fujinon 23mm f1.4 | 1/35s. | f.2 | ISO 3200 | 35mm KB

Die Geschichte des Stadions ist dabei eng mit der durchaus wechselhaften Geschichte des Vereins verknüpft. Zbrojovka heißt übersetzt Waffenkammer, der Verein war also der Sportverein der Brünner Waffenwerke, die im Ostblock allerdings nur marginal Waffen produzieren durften und sich auf Alltagsgegenstände beschränken mussten. Mit dem neuen Unternehmen gleichen Namens, das nach einem Konkurs neu gegründet wurde, hat der Verein allerdings nur den Namen gemein. Anfang der 90er wurde der Verein vom Unternehmer und ehemaligen Eishockeyspieler Lubomir Hrstka übernommen und nach seinem Spitznamen in FC Boby Brno umbenannt. Hrstka ging Ende der 90er pleite und musste den Verein verkaufen.

Der Oberrang des Za Lužánkami | Fuji X-T4 & Fujinon 23mm f1.4 | 1/12s. | f 1.4 | ISO 3200 / 35mm KB

Auch für das Za Lužánkami war kein Geld mehr da und es verfiel im Zeitraffer und musste 2001 gesperrt werden. Bis dahin war Brno DER Zuschauermagnet der Liga, bei einem Ligaschnitt von 6.000 Besuchern konnte man z.B. in der Saison 1996/97 durchschnittlich 21.600 Gäste im riesigen Rund begrüßen. Nachdem aber das Aus des Stadions besiegelt wurde, musste der inzwischen in 1. FC Brno umbenannte Verein in den benachbarten Stadtteil Králove Pole umziehen. Das dortige Stadion stand leer, nachdem der ansässige Verein SK LeRK Brno Mitte der 90er die Stadt verlassen hatte. Die Stadt Brno renovierte das Stadion in Rekordzeit von nur 4 Monaten, der neue Ground wurde von den Fans allerdings nie als Heimat akzeptiert. In der ersten Saison im neuen Stadion, 2002/03 hatte der 1. FC Brno einen Zuschauerschnitt von lediglich 3.200, was lediglich gut 1/7 der Zuschauerzahlen aus Mitte der 90er entsprach.

Panorama des Za Lužánkami aus 5 Einzelbildern | Fuji X-T4 & Fujinon 23mm f1.4 | 1/35s. | f.2 | ISO 2500 | 35mm KB

Das Za Lužánkami wurde immer mal wieder Gegenstand von Umbauplänen, die aber weder die Stadt, oder der klamme Verein tragen konnten. Zu allem Überfluss war dieser mittlerweile zu einem Fahrstuhlverein geworden und auch die meisten verbliebenen Zuschauer freundeten notgedrungen mit dem neuen Zuhause an, was einen Umbau des Za Lužánkami in naher Zukunft in weite Ferne rückt.

Patina wohin man blickt… | Fuji X-T4 & Fujinon 23mm f1.4 | 1s. | f 2.8 | ISO 3200 | 35 mm KB

Es bedarf erst des Engagements von Ex-Spieler Petr Švancara, der 2015 gerne ein Abschiedsspiel im Za Lužánkami ausrichten wollte. Er trommelte Sponsoren und viele freiwillige Helfer zusammen, denn die Natur hat sich das weite Rund mittlerweile zurückgeholt. Überall sprießten Sträucher, Büsche und junge Bäume aus den Tribünen und auf dem Spielfeld. Die Mühe lohnte sich, neben der versammelten tschechischen Sportprominenz kamen 35.000 Zuschauer zu Švancaras Abschiedsspiel.

Panorama des Za Lužánkami aus 6 Einzelbildern | Fuji X-T4 & Fujinon 23mm f1.4 | 1/7s. | f 2 | ISO 3200 | 35mm KB

Diese Euphorie gab auch den Umbauplänen neues Futter, aber auch dieses Mal blieb es bei vagen Diskussionen und das Stadion verfiel erneut und eigentlich sieht es jetzt wieder genauso aus wie vor 2015.

Blick durch das dunkle Stadion auf einen Nebenplatz mit Flutlicht | Fuji X-T4 & Fujinon 23mm f1.4 | 60s. | f 13 | ISO 640 | 35mm KB

Nach einem kurzen Rundgang machten wir uns auf unsere letzte Etappe – gut 90 Minuten sollte die Fahrt nach Bratislava dauern. Dabei waren wir recht froh, nicht entgegengesetzt zu fahren. An der Grenze staute sich der Verkehr auf locker 20 km, darunter 90% LKW. Aber wennde nicht durch kommst, kommste nich durch. 😉

Wildwuchs im Za Lužánkami | Fuji X-T4 & Fujinon 10-24mm f4 | 20s. | f 5.6 | ISO 640 | 15mm KB

Wie Sie sehen, sehen Sie nichts

Und was Sie nicht sehen, werden Sie jetzt lesen… Wir sind in Bratislava angekommen. Nur hätte man uns auch ein potemkinsches Dorf aus Pappmaché da hinbauen können, wir hätten es glauben müssen. Durch die tiefe Lage im Donautal hat sich unser Nebelproblem noch potenziert. Die Sichtweite betrug nur mit viel Phantasie über 100 Meter. Sogleich fielen uns aber diese unendlich vielen Werbeschilder überall an der Autobahn auf. In der Slowakei wird für alles geworben. Jede freie Fläche wird von einer Werbetafel, von einem Banner, von einem Schild besetzt und sonst pinselt man einfach die Hauswände an. Noch dazu waren für das nächste Wochenende landesweite Kommunalwahlen angesetzt, also sah man überall grinsende Backpfeifengesichter auf Wahlplakaten. Wie wir wissen, die schönste Zeit des Jahres!

Aber nun erstmal ins Hotel, da aus der Buchung nicht wirklich hervor ging, wie lange man einchecken konnte. Der Hotelparkplatz war schon voll, allerdings gab es einen weiteren. Die Empfangsdame sagte, dass wir beruhigt erst etwas essen fahren können, der Check-In sei die ganze Nacht möglich. Fantastisch! Mangels Lust, jetzt noch Ewigkeiten in der Stadt ein Lokal zu suchen und mangels Alternativen in der unmittelbaren Nähe, begaben wir uns zur nächstgelegenen Gaststätte zur goldenen Möwe. Allerdings gab uns dies Gelegenheit, die örtliche Jugend kennen zu lernen. Überschminkte Teenies in Leopardenleggins – willkommen im ehemaligen Ostblock!

Anschließend wurde der benachbarte Tesco-Supermarkt für die Getränkeversorgung angesteuert und dann haben wir beschlossen, doch noch eine kleine Stadtrundfahrt zu wagen. Irgendwas wird man schon erkennen können, dachten wir uns. Zunächst jedoch erkannte ich ein völlig hirnrissig platziertes Verkehrsschild nicht und bretterte mit dem Auto mitten durch die (verlassene) Fußgängerzone. Es hat mich halt auch niemand aufgehalten. Möglicherweise war ich auch viel zu sehr damit beschäftigt, den Fotospot auzukundschaften, der genau auf dieser Brücke lag. 😀

Screenshot Google Street View

Na? Wüsstest du spontan, wo du lang fahren darfst? Im Dunkeln? Wenn du die Kreuzung nicht kennst?

Most SNP

Naja, jedenfalls zog sich die Fußgängerzone ganz schön und auch Google Maps machte gar keine Anstalten, mir einen legalen Ausweg anzubieten. Erkannt habe ich das Problem freilich erst, als ich am Ende über einen abgesenkten Bordstein fahren musste. Wir drehten also um und parkten am Fuße der Brücke. Es wollte endlich fotografiert werden! Zum Glück hat sich der Nebel mittlerweile ein bisschen gelichtet und wir hatten zumindest freien Blick auf die so genannte UFO-Brücke. Warum die so heißt, sollte sich anhand des Fotos selbst erklären. Offiziell heißt die 1972 eingeweihte Brücke Most SNP. SNP steht für Slovenského národného povstania, also den slowakischen Nationalaufstand von 1944, als sich gegen den Nationalsozialismus und dessen slowakische Kollaborationsregierung unter Jozef Tiso aufgelehnt wurde. Dieses Kürzel sollte uns in der nächsten Woche noch einige Male begegnen – das Gedenken an dieses Ereignis ist in der Slowakei allgegenwärtig.

Most SNP (UFO-Bridge) Bratislava | Fuji X-T4 & Fujinon 16-80mm f4 | 30s. | f16 | ISO 160 | 110mm KB

Jedenfalls hat man von unserer unscheinbaren Brücke einen ganz hervorragenden Blick auf diese UFO-Brücke und durch die Häuserschlucht und die Schnellstraße auch direkt eine hervorragende Führungslinie.

Viel mehr ging fotografisch heute nicht mehr, es war schließlich schon weit nach 22 Uhr und wir waren hundemüde. Also beschlossen wir, ins Hotel zu fahren und morgen früh für die blaue Stunde und den Sonnenaufgang zeitig aufzustehen. Das war eine ganz hervorragende Idee…

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