Es ist Freitagabend, vor wenigen Minuten ging die Sonne unter und ich bin allein. Gleich wird die untergehende Sonne der leichten Bewölkung eine Farbexplosion verpassen und ich bin allein. Dort, wo die Saar eine Wende macht, höre ich nur das entfernte Rauschen der Autos und Züge, die 200 Meter unter mir dem Lauf des Flusses folgen. Ein jugendliches Pärchen war gerade da, grüßte freundlich, erfreute sich des Anblicks und ging wieder. Ohne eine Insta-Story aufzunehmen.
Ich verstehe nur nicht, warum ich hier allein bin. Kann es wirklich sein, dass dieser Fotospot in Zeiten der Instagram-Hypes und des Overtourism dem großen Zirkus völlig unbekannt ist? Flickr kennt 317 Fotos von diesem Ort, 500px gar nur deren 19. Auch Instagram verzeichnet bei zwei Hashtags deutlich unter 300 Einträge. Ich bin überrascht.

Denn machen wir uns nichts vor: Die „richtige“ Saarschleife in Cloef ist tot. Ja, superschön, natürlich und auch viel schöner, als die Saarschleife, an der ich mich herumtrieb, aber eben auch absolut überlaufen. Und wer diesen Ort kennt, weiß: Sonnenuntergänge kannst du dort nicht fotografieren. Sonnenaufgänge kannst du dort nur im Herbst fotografieren. Und du wirst von anderen Leuten quasi totgetreten. Der Mai liegt nicht im Herbst, also war ich nicht dort.
Dragonforce
Derweil habe ich es mir auf der Holzrampe gemütlich gemacht, die im Sommer tollkühnen Drachenfliegern als Starthilfe dient. Tollkühn bin ich eher nicht und auch die Flugeigenschaften meiner Kamera würde Radio Eriwan negativ bescheiden: „Im Prinzip kann eine Fuji schon fliegen, jedoch nur ein Mal.“ Fliegen kann hingegen meine Drohne, die ich nebenbei in die Luft schickte, aber der Bildausschnitt gefiel mir nicht.
Diese Rampe ist steiler, als es den Eindruck erweckt, also rate ich euch, euer Stativ irgendwie in dieser Brüstung zu verkanten, damit es nicht einfach nach vorn überkippt. Und mittig ausrichten ist echt hilfreich, wie ich nach einigen Testfotos gemerkt habe. Wollt ihr euch nicht mit einem Panorama abmühen, darf es schon ein Ultraweitwinkel-Objektiv sein. Ich entschied mich für das bewährte Fujinon 10-24mm f/4 auf 10mm, also 15mm auf Vollformat gerechnet. Ja, was soll ich sagen… Hannoi war ja nicht dabei, also war auch der Sonnenuntergang großartig. 🙂

Deshalb leider auch nicht dabei: Mein 8mm f/3,5, welches sich noch auf der Rückreise aus Kopenhagen befand. DHL steht eben für „Dauert Halt Länger“. Das hätte ich jetzt gut gebrauchen können, denn der ursprüngliche Plan sah zwar vor, nun ins nahe gelegene Hotel zu verschwinden, ich realisierte allerdings, dass ich mich nur eine halbe Stunde vor Trier befand. Hunger und die Aussicht auf eine Blaue Stunde waren mein Antrieb.
Porta
Natürlich war mein Ziel die Porta Nigra. Was auch sonst? Böse Zungen behaupten, die Porta Nigra ist der einzige Grund, warum Trier überhaupt sowas wie Tourismus hat. Übrigens sollten diese peinlichst genau auf ihren Fahrstil achten, die Blitzerquote in Trier macht hessischen Landgemeinden ernsthafte Konkurrenz. Wer schon mal durch Hessen gefahren ist, wird jetzt wissend nicken.
Für die zweieinhalb Leute, die die Porta Nigra nicht kennen: Diese stellt das größte, erhaltene Bauwerk der Römer nördlich der Alpen dar. Das „schwarze Tor“, wie sie aufgrund der Verwitterungen am Sandstein genannt wird, stammt ungefähr aus dem Jahr 170, darf also getrost als steinalt bezeichnet werden.
Diese zu fotografieren ist gar nicht so einfach, wie man annehmen könnte. Auf der Stadtseite ist zwar theoretisch genug Platz, es gibt aber gleich vier Probleme: Erstens ist die Seite viel weniger schön als die andere. Dann stehen immer irgendwelche Leute im Weg rum und links schließt sich direkt recht unspektakuläre Bebauung an. Gekrönt wird der Eindruck durch den fetten „SPIELHALLE“-Schriftzug, der durch das rechte Tor scheint. Also schnell die Seite wechseln, das hatte hier absolut keinen Mehrwert.

Von der Straßenseite ergab sich das nächste Problem: Da ist ganz schön wenig Platz! Jetzt das 8mm dabei haben… Dazu kommt das Problem, dass irgendwer diese fetten Palmen davor gestellt hat. All dies zwang mich auf die gegenüberliegende Straßenseite, entfernte die Palmen jedoch auch nicht aus dem Bild. Ich hoffe einfach, die Leuchtspuren der Autos sind genug Ablenkung.

In diesem Schlosshof, oder was auch immer das darstellen soll, direkt neben der Porta Nigra, wurde zeitgleich ein Weinfest abgehalten. Wein ist mir ziemlich egal, aber die Band, die die ganze Zeit 90er-Hits coverte, trug schon zu meiner Unterhaltung bei. Die Dönerbude direkt gegenüber ebenfalls. Teuer, aber gut. Und zu Musik an einem lauen Frühlingsabend schmeckte es noch gleich viel besser.

Zufällig in Saarburg
„Zufallsfunde sind nur möglich aufgrund schlechter Planung.“ Kann sein. Mein Weg führte mich durch Saarburg. Wie der Name schon sagt, gibt’s dort die Saarburg. In Saarburg war ich ja im August erst. Tagsüber, an einem Sonntag. Es war der Teufel los! Hier nochmal das Foto von damals:

Nun war es kurz vor der Geisterstunde. Ich stand allein direkt am Ufer der Saar und dachte, dass es hier lecker Blendensterne geben könnte und was liegt da näher, als das Viltrox 13mm f/1.4 für das Foto zu nehmen? Das nutze ich sowieso viel zu selten. Dessen Blendensterne sind… charakteristisch, aber eben auch alles andere als langweilig.

Wer unbedingt was zu meckern haben will: Ja, die Sterne ziehen Spuren. Logisch, wenn man zwei Minuten belichtet. Das wollte ich so! Ich war keinesfalls zu müde, um über diesen Fakt nachzudenken! Das war pure Absicht! Vielleicht.
Schlüsselerlebnisse
Normalerweise bin ich geistesabwesender Handlungen eher nicht aufgeschlossen. Das kann Hannoi bestätigen (will er aber sicher nach dem Seitenhieb vorhin nicht mehr). Wenn wir zusammen unterwegs sind, prüfe ich vor Abreise mindestens drei Mal, ob wir auch alles eingepackt haben. Aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen hielt ich es für eine Spitzenidee, den Hotelschlüssel mitzunehmen. Ich wunderte mich noch, warum das Telefon plötzlich klingelte. Dran war das Hotel, das verständlicherweise seinen Schlüssel zurück haben wollte. Gut, dass ich zwischendurch einkaufen war und deshalb nur ca. 20 Minuten zurückfahren musste. Gut, dass ich mich mit Beast erst für Frankfurt später und nicht schon für Koblenz verabredet hatte, sonst hätte ich ein ziemliches Zeitproblem bekommen.
So konnte ich noch ganz entspannt in Kaiserslautern vorbeischauen, um dem dortigen Stadion einen Besuch mit meiner Drohne abzustatten. Leider hatte die Drohne überhaupt keine Lust auf Zusammenarbeit. Falls ihr es nicht wisst: Fußballstadien sind so genannte „Autorisierungszonen“. Für diese muss man in der DJI-Fly-App bestätigen, dass man berechtigt ist, dort zu fliegen, DJI die Flugdaten einsehen darf (es ist ne chinesische Bude, die machen das eh!) und so weiter. Natürlich habe ich keine spezielle Berechtigung, dort zu fliegen und normalerweise halte ich von den Autorisierungszonen auch Abstand, aber bei Sportstätten geht es ja eindeutig darum, dass während eines Spiels dort kein Jockel mit seiner Drohne rumflattert. Es war kein Spiel. Jedenfalls konnte ich die Drohne nicht zu einem Start überreden und musste mich mit einem Foto dieses wunderschönen Kassenhäuschens begnügen.

Später in Mannheim dämmerte mir dann, dass ich ja mal die Firmware der Drohne aktualisieren konnte, was auch ne geschlagene Viertelstunde dauerte. Gut, dass ich Zeit hatte. Mit aktualisierter Firmware hatte die Drohne dann Lust, ein paar Runden über’s Carl-Benz-Stadion zu drehen. Mehr kann man in Mannheim auch nicht machen, außer die Flucht antreten.

Wie eine Mainachtsgans
Eine Weihnachtsgans im Mai am Main? Richtig, eine Mainachtsgans. Und was macht man damit sprichwörtlich? Richtig, ausnehmen. Willkommen beim Pokalfinale des hessischen Fußballverbands! Für die Nicht-Fußballer unter euch: Jeder der 21 Regionalverbände unterhalb des DFB spielt einen Verbandspokal aus. Die Finals sind immer (meistens) gebündelt an dem Tag, an dem auch das „große“ DFB-Pokalfinale stattfindet. Das ist natürlich ein gefundenes Fressen für Groundhopper, womit auch erklärt wäre, was Beast in Koblenz zu suchen hatte. Dort fand um 12:30 Uhr bereits das Finale des Rheinlandpokals statt. Ohne mich, denn im dortigen Stadion war ich schon mal und die teilnehmenden Mannschaften lockten mich auch nicht hinter’m Ofen vor. Im Stadion am Bornheimer Hang zu Frankfurt war ich allerdings noch nicht.

Durch einen Kommunikationsfehler hatte Beast mir vorab keine Karte besorgt. „Heute nur Barzahlung und Sitzplatz ist eh ausverkauft“, schalmeite es mir vom Kassenhäuschen entgegen. Das war glatt gelogen, denn online waren noch drei (!) Tickets verfügbar. Eins davon wechselte für 29€ (!) den Besitzer. Excuse me…(hier dummes Meme vorstellen) 29€? Für bestenfalls semi-professionellen Fußball? Habt ihr ein Rad ab? Mittags in Koblenz kosteten die Karten gerade mal die Hälfte.
Ich hätte auch einfach draußen bleiben und das Spiel von dort schauen können. Keine Ahnung, was das soll, dass die Tribüne einfach viel (!) größer ist als das Stadion. Vermutlich stammt die Tribüne noch aus Zeiten, wo sich noch eine Laufbahn (manche sagen Umlaufbahn) im Stadion befand. Man sieht alles und steht sogar überdacht. Für Groundhopper optimal, hier brauchen sie keine „Presse“ausweise vom Thai-Markt.

Unsere Profis – echte Amateure
Hätte ich gewusst, dass ich über eine Stunde an der Fressbude anstehen würde, wäre ich wirklich draußen geblieben. Soll das ein Scherz sein? Eine Bude für ungefähr 1.500 Leute, obwohl eine zweite Bude verschlossen nur auf ihren Einsatz gewartet hat? Ist das dieser Fachkräftemangel? Dazu noch 5€ für ne Bratwurst im räudigen Discounter-Brötchen.
Immerhin war das Spiel brauchbar. Regionalligist Hessen Kassel bekam es mit dem Drittligisten SV Wehen(Wiesbaden) zu tun und wären die Kurhessen vor dem Tor nicht so unfassbar blind gewesen, hätten sie das Spiel sehr überlegen gewonnen. Allerdings sahen wir ein gar zauberhaftes Foul eines Kasselers und ich kann mir bis heute nicht erklären, warum dieser Spieler nicht des Platzes verwiesen wurde. Seine Gegenspieler waren ähnlicher Meinung und umringten den Schiedsrichter, was der damit beantwortete, indem die gelben Karten wie bei einem hyperaktiven Toaster nur so aus ihm heraus sprangen. So gab es ohne Verlängerung direkt Elfmeterschießen, welches die fehlerfreien „Wiesbadener“ für sich entschieden und somit in der nächsten Saison im DFB-Pokal antreten dürfen.

Die Mehrheit der 5.390 Zuschauer ging bei einsetzendem Regen enttäuscht nach Hause, ungefähr 3.000 Fans aus Nordhessen dürften es am Ende gewesen sein. Akustisch gab man jedenfalls klar den Ton an.
Ladedepressionen
„Einsetzender Regen“ war für mich das Stichwort, direkt nach Hause zu fahren und nicht noch den Sonnenuntergang, bzw. die blaue Stunde in Frankfurt zu verbringen. Die würde es sowieso nicht geben. Nun wollte aber erstmal das Auto geladen werden. Theoretisch. Praktisch scheiterte das, als ich – nach einem 20-minütigen Umweg – vor einer defekten Ladesäule stand. Auf weitere Umwege hatte ich genausowenig Lust, wie an einer fremden Säule für massiv Geld zu laden und so fuhr ich erstmal los, in nicht mal 50 km sollte eine Säule „meines“ Anbieters stehen und mit noch 75 km Reichweite sollte das immerhin knapp hinkommen.

Ein Ritt auf der Rasierklinge! Zur Not könnte ich mich aber darauf verlassen, dass auch unterhalb von 0% immer noch ein paar Kilometer im Akku sind. Ja, es ging bergauf und auch der Regen ließ den Verbrauch hochschnellen, insofern ist es ganz gut, wenn man das eigene Auto einschätzen kann.
Zwei Fragen bleiben: Warum zum Geier wird potentiellen E-Auto-Fahrern noch immer so ein preislicher Flickenteppich serviert? Es ist ein Unterschied, ob ich pro Kilowattstunde 0,39€, 0,62€, oder sogar 0,89€ bezahle. Ein verdammt großer Unterschied! Und warum zur Hölle muss ich mich an den allermeisten Ladesäulen vollregnen lassen, während ich keine einzige Benzin-Zapfsäule kenne, die ohne Dach irgendwo in der Pampa steht?
Es geht mir tierisch auf den Sack, dass eine eigentlich gute und ausgereifte Möglichkeit der Fortbewegung künstlich so hässlich gemacht wird, dass sie für viele Leute „aus Prinzip“ nicht in Frage kommt. Rant beendet, gute Nacht!
Geile Bilder wieder. Vor allen kommen da echt Gefühle hoch wenn man auch selbst schon einmal da war (gut nur in Trier, Saarburg und Mannheim :D, in Frankfurt stande ich bloß davor).
Moin Steffen,
freut mich, dass es gefällt. 🙂
Moin Ben!
Feiner Beitrag, auch der berechtigte Seitenhieb auf die Stromversorgung umweltbewusster Reisender. Wundere dich bitte nicht darüber, dass ich mich mit der Adresse oli@oliste aus der Liste verabschiedet habe, denn es handelte sich um einen doppelten Eintrag, so dass ich die vielen Beiträge sogar noch doppelt erhalten habe😀.
Viele Grüße des Galeriasten
Oli
Moin Oli,
ich hab mich eh schon gewundert, aber war davon ausgegangen, dass du dir dabei schon was gedacht haben wirst. 🙂 Ich danke dir und grüße die gesamte Galeere (bzw. was davon noch übrig ist) zurück.