Viva Polonia

Viva Polonia

Was macht man, wenn man feststellt, dass Aue noch mehr am Arsch der Heide ist, als sowieso schon gedacht und man keinen Bock hat, nur für so ein Kackspiel um 5 Uhr aufzustehen? Richtig, man plant einfach das ganze Wochenende in der Gegend und nachdem mir ein kaputtes Auto im Jahr 2012 schon unser Europapokalspiel in Wroclaw versaut hat, musste auch endlich mal ein Spiel in Polen auf dem Plan stehen. Dazu kam noch, dass Ricardo mir ja schon länger mal gesagt hat, dass ich unbedingt mal ins Plache müsste und zufällig sollte Lok am Sonntag noch gegen Carl-Zeiss spielen. Zur Vervollständigung des Programms wurden noch zwei Spiele in Polen ins Programm genommen und das erste davon sollte mich am Freitagabend nach Legnica führen…

Los ging’s um 8 Uhr und mit netten und gesprächigen Mitfahrern ausgestattet, fühlten sich die 6 Stunden bis Dresden gar nicht mal so lang an. Dank einer aus Bautzen stammenden Arbeitskollegin wurde ich mit Insidertipps für eine kurze Mittagspause ausgestattet, die ich dankend entgegen nahm. Wenn man auf einem Freitagnachmittag halbwegs entspannt über die A4 Richtung polnische Grenze zuckelt, hat man Gelegenheit, die schöne Landschaft in der Oberlausitz bestaunen zu dürfen. Kurz hinter der Grenze war es mit dem Bestaunen der Landschaften dann schlagartig vorbei. Nicht, weil die Landschaft nun plötzlich unfassbar hässlich wäre, nein, viel mehr machte ich sogleich Bekanntschaft mit dem eigenartigen Humor polnischer Straßenmeistereien. Eine Tagesbaustelle pflegt man hierzulande ja rechtzeitig anzukündigen, gerade wenn eine Spur reduziert wird. In Polen kündigt man sowas auch an, allerdings geschätzt 150 Meter vorher (und natürlich nur rechts der Fahrbahn), was den Transporter vor mir zu einem kleinen Zwischenspurt veranlasste, um sich gerade so zwischen zwei LKW auf der rechten Spur zu retten und mich zu einem interessanten Bremsmanöver zwang, das ungefähr 15 Meter vor der Absperrung endete. Der restliche Weg bis nach Legnica verlief ereignislos, mich wunderte nur, dass Legnica – immerhin 100.000 Einwohner – nicht direkt(er) an die Autobahn angebunden wurde. Von der Autobahn fährt man noch 10 km durch die Prärie und zwar – Großstadt und so – auf einer einspurigen Landstraße, die noch so viel Humor besaß, mit einem Stopschild auf einen unbeschrankten und ungesicherten Bahnübergang hinzuweisen.

21.04.2017 – Miedz Legnica vs. Znicz Pruszkow 2:0 / Zuschauer: 1.600
22.04.2017 – FC Erzgebirge Aue vs. Hannover 96 2:2 / Zuschauer: 9.700
22.04.2017 – Zaglebie Lubin vs. Slask Wroclaw 1:1 / Zuschauer: 8.282
23.04.2017 – 1. FC Lok Leipzig vs. FC Carl-Zeiss Jena 1:2 / Zuschauer: 4.107

In Legnica selbst begrüßte einen erstmal der etwas heruntergekommene Chic aus 50 Jahren Ostblock, ergänzt durch 25 Jahre weitgehendes Nichtstun. Aber das sollte nur der erste Eindruck sein und heruntergekommene Außenbezirke gibt’s auch in westdeutschen Städten zur Genüge. Einmal auf der Ringstraße, konnte man sich gleich einen viel besseren Eindruck der Innenstadt verschaffen, hatte Blick auf das barocke Rathaus und die durchaus eindrucksvolle Marienkirche aus dem 12. Jahrhundert. Weiter führte mich mein Weg am neumodischen Einkaufszentrum vorbei, das so aussieht, wie es halt überall aussieht, in eine kleine Seitenstraße. Dort lag mein Domizil, das Hotelik Parkowa. Park(owa)plätze gab’s ausreichend vor dem Hotel und diese waren praktischerweise am Wochenende kostenfrei. Der Eingangsbereich des Hotels begrüßte mich mit abgewohntem Ostblockcharme und die Rezeption sah aus wie ein altes DDR-Wohnzimmer und wahrscheinlich roch es damals in den Wohnzimmern der zugigen und unsanierten Altbauten Leipzigs ähnlich. Die Vorzüge der Bleibe: Es war sauber. Punkt. Machen wir uns nichts vor, das Beste an dem Ding war die Lage je 300 Meter vom Bahnhof, von der Altstadt und dem Stadion entfernt. Und die Tatsache, dass es inkl. Frühstück nur ca. 22€/Nacht kostete.

Günstig und sauber. Mehr nicht.

Das Frühstück entpuppte sich am nächsten Morgen als relative Lachnummer, denn es war zwar prinzipiell genug Auswahl, nur war um halb 8 von der Auswahl schon nur noch ein kümmerlicher Rest vorhanden. Nun ja, schnell die Tasche ins Zimmer geworfen und die Wertsachen verstaut (bester Tipp einer Hotelbewertung war zweifellos der, die Wertsachen aus dem Auto zu nehmen und das Handschuhfach offen stehen zu lassen) und dann wollte erstmal einheimische Währung gesichert werden. Kein Problem, Geldautomaten stehen in Polen an jeder Ecke, in jedem Kiosk und an jeder Tanke. Nur wollte das dumme Ding nichts rausrücken, was mich im Angesicht des näher rückenden Anpfiffs panisch bei meiner Bank anrufen ließ. Was ich nicht wusste, (also die haben mir das garantiert mal irgendwann irgendwo mitgeteilt, aber wer liest schon alles Kleingedruckte?) ist, dass man seit Dezember nur noch mindestens 50€ von der Kreditkarte abheben kann. Ich stelle mir die Regel bei einem Vietnam-Urlaub witzig vor, mit 50€ kann man da ja fast ein Jahr lang überleben.

Das Stadion Orla Bialego – benannt nach der angrenzenden Allee – war ebenfalls nur 300 Meter Fußweg entfernt und dieser führte mitten durch den idyllisch angelegten Stadtpark, in dessen Mitte sich das Stadion befand. Sinnigerweise gab es pro Tribüne ein Kassenhäuschen. Vor der jeweiligen Tribüne. Da ich keine Lust auf die Haupttribüne hatte, stiefelte ich kurz auf die gegenüberliegende Seite und ehe ich mich überhaupt an der Kasse anstellen konnte, quatschte mich ein Typ von der Seite an, der auf Nachfrage aber immerhin Englisch konnte. Er hätte noch ne Karte übrig und ich sollte ihm im Stadion ein Bier ausgeben, dann wäre sie mein. Nach einer Kosten-Nutzen-Analyse im Nanosekundenbereich stimmte ich zu, scheiterte dann aber am Bier- und Bratwurstmann, der so aussah, als ob er selbst sein bester Kunde wäre. Seine Kollegin sprach aber (sogar relativ gut) deutsch und so wechselten 6 Zloty den Besitzer und ich hatte für umgerechnet 1,40€ eine Karte. Erst später wurde mir bewusst, dass ich mitten im Familienblock gelandet bin, der in Legnica sogar a) sehr groß, b) sehr gut besucht und c) sehr aktiv im Support war. So gab es einige Wechselgesänge zwischen Supporter und Familienblock zu bestaunen. Außerdem bereitete man kurz nach Anpfiff eine Stoffbahnen-Choreo vor, die man – warum auch immer – mitten in der ersten Halbzeit präsentierte. Auch vom restlichen Support war ich sehr angetan. Die 80 Mann auf ihrer zugigen Hintertortribüne gaben von Anfang an Vollgas und unterstützen ihre Mannschaft immer wieder mit kurzen, lauten Sprechchören und Anfeuerungsrufen und verzichteten dankenswerterweise komplett auf irgendwelchen Dauersingsang.

Stadion Mijeski, die Heimat des MKS Miedz Legnica

Bei dieser Partie begegneten sich der MKS Miedz Legnica und Znicz Pruszkow aus einem Vorort von Warschau. In Pruszkow ging vor 10 Jahren der Stern eines gewissen Robert Lewandowski auf, während Miedz eine Schnittmenge zu Hannover 96 aufweist. Wie 96 konnte man in der Saison 1991/92 den nationalen Pokal gewinnen und 2014 war Dariusz Zuraw kurzzeitig Trainer von Miedz, das übrigens übersetzt ‚Kupfer‘ heißt und stellvertretend für die ganze Region steht. Bis heute ist eine Kupferhütte größter Arbeitgeber der Stadt.

Es war eben eine polnische Zweitligapartie, bei der der Gastgeber ganz klar die höheren Ambitionen hegt. Miedz war vor dem Spiel Tabellensiebter und befand sich mit 3 Punkten Rückstand und noch 8 auszutragenden Spielen in Lauerstellung auf einen Aufstiegsplatz, während Znicz die Hoffnungen auf den Klassenerhalt fast begraben kann. In der 18er-Liga fehlen dem Tabellensiebzehnten zur Zeit 7 Punkte auf einen Nichtabstiegsplatz, außerdem kann Znicz eine desaströse Tordifferenz von -23 vorweisen. Der Kader von Miedz hatte neben ehemaligen (U-) Nationalspielern ehemaliger Ostblockstaaten auch einen US-Amerikaner und Keon Daniel im Kader. Letzterer absolvierte bisher knapp 60 Länderspiele für Trinidad & Tobago. Außerdem steht da noch Marquitos im Kader, ein abgehalfterter Spanier, der vor 10 Jahren bei Villarreal scheiterte und seitdem eine beeindruckende Tingeltour durch die Niederungen des spanischen Ligasystems, die zweite Liga Polens und die erste Liga Bulgariens hinter sich hat und sich jetzt in Legnica ein paar Almosen verdient. Almosen sind auch ein gutes Stichwort für Lukasz Gargula, der mittlerweile 36 Jahre alt ist und 2008 beim EM-Spiel gegen Deutschland immerhin mal im Kader war und zumindest in der polnischen Liga eine durchaus beeindruckende Scorerquote aufweisen kann. Das Rückgrat des Teams bildeten aber zwei Finnen, der solide Abräumer Petteri Pennanen und der für diese Liga eigentlich viel zu gute Petteri Forsell (war auch mal in Aalen und in Bielefeld beim Probetraining), der als 10er eingesetzt wird und in dieser Saison bereits beeindruckende 21 Scorerpunkte sammeln konnte. Bei dem hat man auch direkt gesehen, dass der richtig was am Ball kann und wenn es im Spiel gefährlich wurde, lief es meist über den schmächtigen Finnen, der ein bisschen ausschaut, wie Gaetan Krebs in groß.

Trikotmode aus der Hölle: Znicz Pruszków

So auch in der 10. Minute, als eine von Forsell gestartete, durchaus sehenswerte Kombination aus verschiedenen Flachpässen letztlich bei Jakub Vojtus landete, der den Ball aus 10 Metern mit der Hacke (!) am verdutzt dreinschauen Gästekeeper vorbei ins Netz legte. Überhaupt lief der Ball bei Miedz ziemlich flüssig über das Feld und Znicz beschränkte sich darauf, ihre interessant flambiert gestalteten Trikots staunend daneben zu stellen und einige Male die gute, alte Mittelfeldgrätsche zu entstauben. Bis auf die 39. Minute, als deren 10er einen gewaltigen Freistoß aus gut 30 Metern auf’s Tor hämmerte, dessen Abpraller der Stürmer in Frank-Mill-Manier mit dem Knie am leeren Tor vorbeistolperte, war’s das mit Offensivbemühungen der Gäste, die nur noch zu einer einzigen Chance kamen und sich dafür beim Schiedsrichter bedanken können, dass er nicht gesehen hat, wie der Angreifer ca. 3 Meter im Abseits stand. Gargula setzte in der ereignisarmen zweiten Hälfte den einzigen Glanzpunkt, indem er in der 57. Minute eine schlecht geklärte Ecke weitergestochert bekam und keine Mühe hatte, aus 8 Metern zum 2:0-Endstand einzunetzen. Miedz wird in dieser Form ein ernstzunehmender Kandidat für den ersten Aufstieg der Vereinsgeschichte sein und sollte tatsächlich der Sprung in die Ekstraklasa gelingen, würde das nicht mal unbedingt den sofortigen Wiederabstieg bedeuten. Von den 12 Aufsteigern der letzten 6 Jahren musste nur einer direkt wieder absteigen. Das Niveau des polnischen Fußballs mag zwar international maximal zweitklassig sein, ist in sich aber relativ ausgewogen.

Nun war mein vorher ausgetüftelter Plan, sich nach dem Spiel in der Stadt irgendwas Essbares zu suchen, nur die ca. 3 m² große Krakauer, die ich in der Halbzeit erstanden habe, hätte auch genauso gut einen Gefangenentransport nach Sibirien zwei Monate lang ernähren können. Ich habe die Zeit bis zur einsetzenden Dunkelheit also genutzt, mir die Innenstadt etwas anzuschauen und dass hier ein behutsam restauriertes, gemütliches Städtchen auf einen wartet, war angesichts der eher industriell geprägten Umgebung nicht wirklich zu erwarten. Natürlich wurde auch in Legnica, dem damaligen Zeitgeist entsprechend, viel umgestaltet und hier waren es eben in erster Linie die Sowjets, die ihre sozialistischen Architekturvorstellungen eingebracht haben, was sich nicht immer verleugnen ließ, insgesamt hat’s mir in Legnica aber doch schon gut gefallen. Nach dem einstündigen Spaziergang durch die Stadt, suchte ich im Hotel-TV verzweifelt einen Sportsender. Da ich keinen fand, ließ ich den Abend mit der polnischen Ausgabe von ‚Dancing with the Stars‘ ausklingen.

Kalt war’s die Nacht, denn die Heizung im Zimmer wurde selbst auf volle Pulle gedreht nur maximal handwarm und ihre Schwester im Bad war von vorn herein nur als Dekorationsobjekt ausgelegt. Nach dem überschaubaren Frühstück, das ich schon entsprechend gewürdigt hatte, machte ich mir mal einen Plan, wie ich am geschicktesten nach Aue komme. Ich muss ja ehrlich gestehen, dass ich die Entfernungen in Sachsen bei der groben Tourenplanung massiv unterschätzte und ich schaute ziemlich doof aus der Wäsche, als ich irgendwann feststellte, dass zwischen Legnica und Aue mal eben 300 km lagen. Mein Auto wollte auch noch kurz frühstücken und dann ging es ab ins Bergdorf und ich fragte mich schon, warum ich nicht vorher auf die Idee gekommen bin, mal nen polnischen Radiosender einzuschalten. Feinster 90er Eurotrash, von No Mercy (kennt die noch wer?) über 2 Unlimited bis zu den Frühwerken von Celine Dion war alles dabei, was kurzzeitig Rang und Namen hatte und wurde von mir entsprechend gefeiert. Da ich meine Zeit eher großzügig geplant hatte, fuhr ich kurz vor der Grenze von der Autobahn und kurvte einmal durch Görlitz und den polnischen Zwilling Zgorzelec und stellte erschrocken fest, dass Görlitz ja sogar richtig schön ist. Und zumindest mir war es bisher verborgen geblieben, dass Görlitz nach dem 2. Weltkrieg zwischen Deutschland und Polen geteilt wurde. Weit weniger schön ist dagegen Chemnitz, das mein Zwischenstop werden sollte. Eine Freundin hat mich gefragt, ob ich sie am Bahnhof einsammeln und mit nach Aue nehmen kann.

Ich kann mit dieser Stadt nichts anfangen. Ich war bisher 3x da und habe bewusst jedes Mal einen anderen Weg in die Stadt genommen, aber irgendwie werde ich mit dem Kaff nicht warm. Das könnte auch an den Graffitis gelegen haben, die hier weit mehr als anderswo rechtes Gedankengut vorzeigen, oder an den vielen Thor-Steinar-Aufklebern, die sich vorrangig an alten verrosteten Opel Astra-Kombis fanden. Oder einfach nur an der Stadt selbst. Der Weg nach Aue dauerte eine gute halbe Stunde, aber da es dann doch schon kurz nach 12 war, wollte ich eigentlich direkt am Stadion parken. Dieser Plan wurde von den Cops zunichte gemacht, die mir den Weg zum Gästeparkplatz wiesen. Ich sollte immer geradeaus fahren, was mir dann irgendwann so vorkam, wie in BS der Weg über diese Brücke, die damals etwas auf sich warten ließ. Auf dem Parkplatz angekommen, stellte sich dieser als bessere Kiesgrube heraus, die aufgrund der mächtigen Regenfälle einige Stunden zuvor, beeindruckende Schlammlöcher anzubieten hatte. Noch viel beeindruckender fand ich allerdings, dass zwei Bergbewohner in Warnweste für dieses Schlammloch tatsächlich noch 5€ von mir haben wollten. Dazu reichten sie mir ein Parkticket, das ich ich – so der väterliche Rat dieses Ureinwohners – doch bitte mitzuführen habe, da dieses auch gleichzeitig die Eintrittskarte für den Shuttlebus sein wollte. Offenbar gibt es ein nicht zu unterschätzendes Shuttlebus-Schwarzfahrpotential durch heimische Ommas, das man mit diesem Ticket eindämmen wollte. Müßig zu erwähnen, dass sich dann am Bus selbst überhaupt niemand für dieses Ticket interessierte. Im Bus regte ich mich noch immer über die Unverschämtheit auf, mir für so eine Kiesgrube 5€ Parkgebühr abgeknöpft zu haben und so merkte ich erst kurz vor der Ankunft, dass meine Eintrittskarte im Auto ihren wohlverdienten Mittagsschlaf hielt. Ausverkauft war es zum Glück nicht, sodass ich mir am Stadion dann halt noch ne Karte gekauft habe. Der Trend geht eben zur Zweitkarte…

Hielt im Auto ihren Mittagsschlaf: Meine Eintrittskarte

Auch Aue baut ja um und so führte mich mein Weg über schlammige Pfade zum Einlass und dann in den Gästeblock. Ich habe allerdings auf dem Absatz kehrt gemacht, als ich festgestellt habe, dass es nur einen Eingang für die Butze gibt und ich vor Anpfiff noch mein Mittagessen sichern wollte. Allerhand Auswahl war ja vorhanden (später mehr davon im Stadiontest) und so führte mich mein Weg an die Grillbude, an der ich Zeuge eines hervorragenden Spektakels wurde. Die Bedienung scheint nicht die hellste Kerze auf der Torte gewesen zu sein und war allgemein schon überfordert, wie die Wurstwagenbesatzung auf dem nächsten Dorfschützenfest. Jedenfalls mit dem Kopfrechnen hatte sie es nicht so. Von einem Kunden bekam sie 8€ für 3 Bratwürste (Stückpreis 2,50€) und war der Meinung, dass er ihr zu wenig Geld gegeben hat. Große Lust zu Diskutieren hatte sie nicht, aber die 8€ wollte sie irgendwie auch nicht mehr rausrücken, was den 96er, der erstaunlich gelassen reagierte, nun den Chef verlangen ließ. Verzweifelt wurde jetzt der Jens gesucht. Jens ist der Logistiker und der Logistiker scheint in Aue jemand zu sein, der a) Ahnung, oder b) was zu sagen hat. Bei uns zuhause sitzt der Logistiker auf’m Gabelstapler. Jens kam übrigens dann nicht mehr und wie diese Episode ausgegangen ist, entzieht sich leider meiner Kenntnis, denn der Anpfiff nahte und irgendein Fuchs hat dem bestimmt 30 Meter breiten Gästeblock nur ganz links einen Eingang spendiert, sodass ich mich komplett durch den ganzen Block kämpfen musste, nur um dann ganz rechts dort zu stehen, wo die schon fertig gebaute Hälfte der neuen Tribüne gut ¼ des Spielfeldes verdeckte. Aber Hauptsache, die Karten mal nicht als „sichtbehindert“ verkauft. Und auch die Bude, die irgendwelche findigen Rentner vor Jahren bis Jahrzehnten in den Hang über der Gästekurve geklöppelt hatten – und die auch immer noch fleißig besucht wird, muss wohl demnächst umziehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man von dort noch großartig viel vom neuen Stadion sehen wird.

Gut besucht beim Spitzenspiel: Die Loge im Wald.

Das Spiel.. ach, ja…das Spiel. 7 Spiele ohne Gegentor und dann kommt Aue und die Abwehr macht ihren altbekannten Freischwimmer. Man kann sich bei Tschauner bedanken, dass es zur Halbzeit nicht 3:1 für Aue stand und man immerhin ein 1:1 in die Pause retten konnte. Die 2. Halbzeit war zwar besser, aber immer noch scheiße und außer dem 2:1 nach Flanke (!) von Füllkrug (!!) kam von 96 gar nix mehr. Es kam, wie es kommen musste – Aue warf in der 94. Minute (3 Minuten waren angezeigt) alles nach vorne und ein abgefälschter Sonntagsschuss fand den Weg ins Netz. Ganz groß war der Typ, der einen Rauchmelder mit im Gästeblock hatte und damit kurz vor dem Ausgleich „Stimmung“ gemacht hat. Nach dem Spiel kämpfte ich mich durch die Menschenmassen zum Ausgang, wo die gewohnt durchsagefreundliche Sächsische Polizei schon ihren Lautsprecherwagen aufgefahren hatte und routiniert den Weg zu den Shuttlebussen verkündete. Ich wunderte mich noch kurz, dass auf einem der Busse, die zum Bahnhof fuhren, der Parkplatz angeschlagen war, machte mir darüber jedoch keine weiteren Gedanken, denn die Busse zum Parkplatz fuhren ein wenig außerhalb des Geländes. Später erreichte mich noch eine Nachricht, dass die vorhin in Chemnitz eingesammelte Freundin von den Cops zum falschen Bus geleitet wurde, sich auf diesem Parkplatz wiederfand und ihren Zug nur noch mit einem amtlichen Zwischenspurt noch bekommen hat.

Bleiben nach Umbau glücklicherweise bestehen: Die Flutlichtmasten in Aue.

Ich hatte freilich andere Sorgen, denn am Auto angekommen zeigte die Uhr 15:02 und um 18:00 sollte im 312 km entfernten Lubin das nächste Spiel stattfinden. Gut, dass auf der schier endlosen Landstraße vom Stadion zur Autobahn keine Blitzer stehen und ich wusste bisher auch nicht, dass mein Auto GPS-gemessene 214 km/h schafft, obwohl im Fahrzeugschein als Vmax 190 angegeben ist. Ebenso gut, dass der Pole an sich ein durchaus ambivalentes Verhältnis zu seinem allgemeinen Tempolimit pflegt. Es heißt ja immer, „fahr wie ein Einheimischer und alles ist gut“. Nun, das war einige Male durchaus herausfordernd, denn Lubin, immerhin 70.000 Einwohner groß und laut Wikipedia einer der bedeutendsten Industriestandorte Schlesiens ist 50 km von der nächsten Autobahn entfernt. Eine Tatsache, die einem nicht unbedingt behagt, wenn man einem ambitionierten Zeitplan hinterherfährt. Dazu muss man noch folgendes wissen: Das generelle Tempolimit auf einspurigen Landstraßen beträgt in Polen 90 km/h. Viel schneller will man auf den Dingern auch nicht unbedingt fahren, denn der direkte Weg nach Lubin führt nicht etwa über gut ausgebaute Nationalstraßen, sondern über Wege, die hier eher niederrheinischen Kreisstraßen entsprechen würden. Nur mit mehr Bodenwellen. Das hinderte die Polen aber nicht daran, mich reihenweise mit 120 km/h und mehr ein paar Meter vor schlecht einsehbaren Kurven zu überholen. Und ich will nicht behaupten, mich an dieses Tempolimit gehalten zu haben. Schlagartig wurde mir bewusst, warum an den Straßenrändern so viele Kreuze standen.

Man macht sich ja auf so einer Fahrt allerhand Gedanken, vornehmlich drehen sie sich darum, ob die im Webshop angezeigten 1.500 noch verfügbaren Karten bis zu meiner Ankunft ausreichen würden und ob es in der Nähe dieser Kiste einen Parkplatz gibt, oder ob ich mich noch 2km entfernt in die Prärie stellen müsste. Am Ende kam ich tatsächlich lockere 20 Minuten vor Anpfiff am Stadion an und der (kostenlose) Parkplatz war nur einen Steinwurf von der Haupttribüne entfernt. Dummerweise hat sich irgendein schlauer Mensch überlegt, die einzigen Kassenbuden des Stadions auf die Seite der Gegentribüne zu bauen. Mit Glück fand ich dort eine Kassentante, die sogar recht gut Englisch sprach, ich kam aber nicht um die Registrierungsprozedur herum, die ich überstehen musste, nachdem die junge Dame mich gefragt hat, ob ich zum ersten Mal da wäre. Offenbar muss man sich mit der Ausweisnummer registrieren, wenn man in Polen Tickets für ein Erstligaspiel kaufen will. Nachdem dies geschafft war, und sie mir auch den besten Platz empfohlen hat (in diesem Fall der mit dem kürzesten Weg zum Eingang), wollte sie 10 Zloty von mir haben, was mich verdutzt den nebenan aushängenden Stadionplan checken ließ, betrug der Normalpreis in der günstigsten Kategorie doch 25 Zloty. Sie händigte mir Karte und Ausweis aus und sagte mit einem bezaubernden Lächeln „for your first time here“, sie hatte mir nämlich einfach irgendeine Kinderkarte für eben diese 10 Zloty verkauft. Hach, ich mag Polen…

Spannende Eintrittskarten-Kombination in Lubin

Die Einlasskontrolle war kurz vor dem Spiel von entspannter Natur, am Eingang bat die Ultragruppierung noch schnell um ein paar Zloty und 5 Minuten vor Anpfiff war es geschafft. Nur wenn man drei Stunden durchbrettert, kommt einer Tatsache eben keine besondere Aufmerksamkeit zu: Dem Harndrang! Also nach dem Anpfiff kurz in die sehr saubere Keramikabteilung verschwunden und natürlich gleich das 0:1 der Wroclawer durch deren Kapitän Piotr Celeban verpasst. Nicht verpasst habe ich hingegen den klarsten nicht gegebenen Elfmeter der jüngeren Menschheitsgeschichte. In der 15. Minute lief Lubins Zentralstürmer Arek Wozniak seitlich in den Strafraum und wurde vom zweiten Innenverteidiger Adam Kokoszka mit fünf Metern Anlauf herzhaft weggegrätscht. Danach holte er sich für die vermeintliche Schwalbe noch die gelbe Karte ab. Hatte ich Spaß! Wozniak ließ sich das nicht lang gefallen, denn er besorgte nach einer guten halben Stunde den Ausgleich. Lubin durfte sich vor’m Strafraum ein paar Mal den Ball zuspielen, während die Slask-Abwehr nur interessiert zuschaute und es war eben Wozniak, der den Ball letztlich mit einem Linksschuss am rechten Innenpfosten platzierte. In der Bundesliga hätte aber selbst ein Felix Wiedwald wenig Stress mit diesem Ball gehabt. Das Duell auf den Rängen ging derweil ganz klar an die Heimmannschaft. Das schon allein deshalb, weil Slask außer einem Bus voll Rentner überhaupt nichts dabei hatte. Das hat mich dann schon etwas enttäuscht, zumal es ja das Niederschlesien-Derby war und die Blöcke rund um den Gästeblock aus Sicherheitsgründen überhaupt gar nicht verkauft wurden. Ich weiß nicht, wen oder was die erwartet haben. Den Leibhaftigen persönlich, oder sonst was. Jedenfalls kam dieses Etwas nicht und das ganze Sicherheitskonzept wirkte für ein paar Familien mit Schals doch etwas überdimensioniert.

Das hatte allerdings den positiven Nebeneffekt, dass die Heimfans nicht über’s ganze Stadion verstreut waren, sondern sich doch relativ dicht gedrängt auf der Heimkurve und der Gegengerade einfanden und dieser Umstand war wiederum der Stimmung im Heimbereich sehr zuträglich. Diese war wie tags zuvor in Legnica sehr schön oldschool und vor allem 90 Minuten lang richtig laut. Garniert wurde das Ganze mit mehreren Wechselgesängen, Hüpfeinlagen zu denen sich auch die Gegengerade nicht lange bitten ließ, und einer großen Blockfahne mittig der 1. Halbzeit, die allerdings vornehmlich dazu genutzt wurde, sich darunter schnell mal zu maskieren und dann nach 35 Minuten ein paar Bengalos zu zünden. Den Bossmove des Abends haben sie sich aber für die zweite Halbzeit aufgespart: Man stellte sich hin und trommelte mit den Händen rhythmisch an der Rückenlehne des Vordermanns. Nach ca. einer Minute, in der der ganze Block bei dem Spektakel mitgemacht hat, sind dann einfach alle kollektiv ausgerastet. Ganz stark!

Pyro der Zaglebie-Fans

Zwischendrin wurden immer mal wieder andere Vereine mit Sprechchören gefeiert. Da einige Vereine, u.A. Odra Opole zu freundschaftlichen Zaunfahnen passten, reimte ich mir zusammen, dass einfach aller befreundeten Vereine gehuldigt wurde. Nur irgendwie scheint Zaglebie mit der halben Liga befreundet zu sein, ich sah neben Fanzeug von Odra auch Schals von Arka Gdynia, Polonia Bytom und dem ehemaligen Zweitligisten Zawisza Bydgoszcz, der sich nach einem Lizenzentzug zu Beginn der Saison in Liga 8 wiedergefunden hat. Auf dem Rasen konnte das Geschehen das hohe Niveau des Supports zu keiner Zeit mitgehen. Beide hatten bis auf ihre Tore nur wenige Chancen und auch nicht wirklich Lust, dieses Spiel zu gewinnen. Schon gar nicht, als nach 70 Minuten ein gewaltiger Platzregen einsetzte, der mit einigen Windverwehungen die ersten zehn Reihen der Gegentribüne mal komplett unter Wasser gesetzt hat. Gut, dass ich mich in der Halbzeit auf meinen eigentlichen Platz recht weit oben verkrochen hatte. Gerade von Zaglebie habe ich das verhaltene Angehen des Spiels nicht verstanden, denn für die ging es sogar noch um etwas, an diesem letzten regulären Spieltag. Dazu musste der Tabellenzehnte aus Lubin aber gewinnen, um noch unter die ersten Acht zu kommen. In Polen ist die Saison nach 30 Spielen nicht vorbei, danach wird die Tabelle in zwei Hälften geteilt und die erzielten Punkte der Mannschaften werden ebenfalls geteilt. Die Plätze 1-8 spielen dann 7 Spiele lang (1x jeder gegen jeden) die Meisterschaft aus, wobei der erste Platz nach der regulären Spielzeit als „Belohnung“ einen Platz in der CL-Quali sicher hat. Die Plätze 9-16 spielen nach dem gleichen Verfahren die beiden Absteiger aus. Ein Sieg hätte Zaglebie auf den 8. Tabellenplatz katapultiert, dort rangiert jetzt Korona Kielce mit einem Torverhältnis von -16 punktgleich mit Zaglebie, die die reguläre Spielzeit nun auf dem 10. Platz beendet haben. Ich vermute mal, dass der direkte Vergleich dort vorrangig zählt. Fun-fact: Vor einigen Wochen wurde bekannt, dass die Bremer Torhüterlegende Dieter Burdenski die Anteilsmehrheit an Korona Kielce übernommen hat. Vielleicht sollte er sich selbst nochmal ins Tor stellen, dann wäre das Torverhältnis vielleicht etwas positiver.

Ein leichter, niederschlesischer Landregen

Nach dem Spiel beeilte ich mich, einem neuerlichen Wolkenbruch zuvor zu kommen und mein Auto zu erreichen. Einmal drin war es mir dann auch egal, dass es locker ne halbe Stunde gedauert hat, ehe ich vom Parkplatz kam. Ähnlich lange benötigte ich für die gut 20 km zurück nach Legnica, denn die dort hinführende Staatsstraße war eine einzige Baustelle. Wenn ich das richtig erkannt habe, bauen sie jetzt zumindest mal eine Schnellstraße von der Autobahn, an Legnica vorbei nach Lubin. Im Hotel angekommen, begab ich mich mal wieder auf die Suche nach einem geeigneten Programm und blieb bei einer polnischen Synchronisation von CSI-irgendwas hängen. In Polen scheint man nicht so zu synchronisieren, wie wir es gewohnt sind, sondern die haben einen Sprecher, der alle Rollen gleichzeitig spricht, dabei lassen sie aber das englische Tonsignal im Hintergrund mitlaufen. Der Typ hat mich mit seiner sonoren Hörspielstimme dann auch nach kurzer Zeit in den Schlaf gemurmelt…

Wenn Pyro-Rauch fast verzogen ist, kann man erstaunliche Bilder machen

Auch die Nacht war irgendwie verflucht kurz und noch kälter als die letzte und irgendein Spezialist meinte, um 6 Uhr mit ner Kippe vor meinem Fenster/meiner Tür umherlaufen zu müssen. Wobei das roch, als hätte sich im Hotelflur spontan die Raucherlobby eines mittelgroßen internationalen Flughafens zusammengefunden. Also wieder früh wach und wieder unfassbar viel Zeit totzuschlagen, was ich dadurch tat, dass ich bis zur Grenze nicht die Autobahn, sondern die Staatsstraße 94 genommen habe. Nach einem letzten Tankstop (beim Diesel spart man ca. 10 Cent/Liter, beim Benzin sogar fast 30), ging es 80 km querfeldein über eine sehr gut ausgebaute Straße. Wirklich bedeutend toll war die Landschaft da nun nicht unbedingt, aber es war mal was Anderes und die Straße führte mich unter Anderem auch durch Boleslawiec, was unter keinen Umständen mit dem tschechischen Mlada Boleslaw, dem Hauptsitz von Skoda verwechselt werden sollte. Wirtschaftlich entscheidend für die Stadt ist die europaweit bekannte „Bunzlauer Keramik“, die vor allem vor dem 2. Weltkrieg einen hohen Stellenwert genoss und auch heute noch von Ommas und Sammlern geschätzt wird und so der Stadt den Beinamen „polnische Keramikhauptstadt“ einbrachte.

Der Spielertunnel im Bruno-Plache-Stadion

Zwischen Boleslawiec und der Grenze lachte ich mir unterwegs noch zwei ukrainische Anhalter an, die in der Grenzregion in einem Supermarkt arbeiteten und witzigerweise besser Deutsch als Polnisch konnten. Da ich ja selbst schon in der Ukraine war, hatte man auch sogleich die passende Gesprächsgrundlage.  Getreu dem Motto „ein nicht vollbesetztes Auto ist Kapitalverschwendung“ stellte ich schon auf dem Weg nach Aue spontan die sonntägliche Tour von Bautzen nach Leipzig in die Mitfahrbörse und fand tatsächlich noch einen Mitfahrer, der von Dresden nach Leipzig wollte, was meinen Zeitplan dann doch wieder etwas durchwirbelte. Der Geselle stellte sich als Dauerkarteninhaber im K-Block von Dynamo heraus, was ich einerseits nutzte, ihm das Forum näherzubringen und andererseits wollte ich mich bei ihm mal nach einem gewissen Herrn Kutschke erkundigen. So kritisch wird er dann landläufig wohl doch nicht gesehen, wie es hier im Dynamo-Board der Fall ist. Außerdem erzählte er mir, dass er 2008 für den SSV Markranstädt gespielt hat und wenn er nicht nach Dresden zurückgezogen wäre, hätte er für die Dosen spielen können. Ich hab’s auf transfermakt.de geprüft, das stimmt tatsächlich. Er sagte mir auch freimütig, dass er natürlich die Kohle mitgenommen hätte, wenn er ernsthaft für die in der 3. Liga hätte kicken können.

Pressekarte – besten Dank an Ricardo!

In Leipzig angekommen, holte ich mir kurz meine Presse-Akkreditierung am Kassenhäuschen des Bruno-Plache-Stadions ab, die Ricardo mir dankenswerterweise klargemacht hat und danach ließ ich mich von ihm durch’s Stadion führen. Schon beeindruckend, diese Anlage, die im Stadiontest auch entsprechende Würdigung erhalten wird. Das Spiel und die Schiedsrichterleistung wurden ja schon im Lok-Board entsprechend gewürdigt. Ziemlich auf den Sack ging mir aber der Gästeblock: Wer immer noch glaubt, dass ein Dauergemurmel von 50 schwarz angezogenen Jugendlichen einen ordentlichen Support darstellt, soll sich doch bitte mal ein beliebiges Zweitligaspiel in Polen anschauen. Sowas sinnloses aber auch…

Optisch immerhin Spitzenklasse: Support der Carl-Zeiss-Fans

Jetzt habe ich irgendwie noch etwas Platz, denn die Rückfahrt verlief (fast) komplett ereignislos. Nun ja, dann nutze ich die Gelegenheit, mich mal generell über die Ekstraklasa auszulassen: Die Stadien sind modern und komfortabel, es gibt ausschließlich Sitzplätze und 13 der 16 Stadien der polnischen Ekstraklasa wurden in den letzten 10 Jahren grundlegend modernisiert, oder neu gebaut. Die EM 2012 hat selbst in den Städten abseits der Spielorte einen wahren Stadion-Bau-Boom ausgelöst, denn die Städte hatten wohl Angst, mit ihren alten und zugigen Ovalen sowjetischer Bauart ins Hintertreffen zu geraten und es sind Stadien jeglicher Größe neu entstanden, die durchaus internationalen Standards entsprechen. Nur: es geht keiner hin – fünf Jahre nach der Europameisterschaft im eigenen Land hat die Ekstraklasa mit einem auffälligen Zuschauerschwund zu kämpfen. Es ist nicht ganz so schlimm wie in Tschechien, wo selbst der FK Teplice selten mehr als 3.000 Gäste begrüßt, aber in Tschechien gibt’s eben noch eine gewisse Konkurrenz durch das Eishockey, die in Polen fast völlig fehlt. Es haben sich nur die kühnsten Fantasten damals ausgemalt, dass Vereine wie Slask Wroclaw, Lechia Gdansk oder Lechia Poznan ihre neuen, jeweils gut 200 Mio. € teuren Stadien nachhaltig füllen würden, dennoch hat man sich gerade durch die EM schon einen Zuschauerboom ausgerechnet. Selbst das Derby Zaglebie Lubin gegen den nur 70 km entfernten Traditionsverein Slask Wroclaw lockte kaum nen ollen Straßenkater hinter dem Ofen vor und der Zuschauerrekord von Zaglebie stammt aus dem Jahr 2012, als man zum Derby gegen Slask 12.100 Besucher begrüßen durfte. In einem 16.500 Zuschauer fassenden Stadion.

Wenn wir Slask als Beispiel nehmen, und Wroclaw hat ja immerhin 600.000 Einwohner und ein dicht besiedeltes Umland, stellen wir erschreckend fest, dass der Zuschauerschnitt im Jahre 2011/12, also im Eröffnungsjahr der neuen Arena, bei knapp 17.000 lag und in der gerade abgelaufenen Saison nicht mal 9.000 Leute im Schnitt ins Stadion strömten. Das Ganze bei Eintrittspreisen, die selbst für das polnische Durchschnittsgehalt von 987€/Monat durchaus erschwinglich wären und beim eben schon angesprochenen Komfort der neuen Stadien. Nur vier Vereine der Ekstraklasa haben überhaupt einen Schnitt von über 10.000 Zuschauern, darunter ab Liga 2 sieht’s noch finsterer aus. Ausnahme bildet der Traditionsverein Widzew Lodz, der aufgrund finanzieller Fehlplanung einen herben Aufschlag in der 5. Liga hinnehmen musste. Mittlerweile in der 4. Liga angekommen und seit Anfang des Jahres mit einem neuen, 18.000 Zuschauern fassenden Stadion ausgestattet, konnte man 10.000 Dauerkarten verkaufen.

Zurück zu meiner Rückfahrt und die wollte mit einer kuriosen Szene enden. Irgendwo auf einem Parkplatz bei Kassel folgte ich kurz dem Ruf der Natur, als neben mir ein roter Dacia Logan (Stufenheck!) mit dunkelgrauer Schutzbeplankung hielt und zwei Personen (Vater und Tochter) ausstiegen, die auch gut durch’s ‚Frauentausch‘-Casting hätten durchfallen können. Beide waren mit Greifarmen bewaffnet und durchwühlten tatsächlich die Mülltonnen des Parkplatzes nach Pfandflaschen. Lassen wir das kurz auf uns wirken und rechnen mal nach… So ein Logan braucht gute 8 Liter auf 100 km. Da sie nicht nur einen Parkplatz anfuhren, sondern noch mindestens einen weiteren, schätzte ich mal vorsichtig, dass die beiden am Abend ungefähr 50 km zurücklegten. Wir erinnern uns an die 8 Liter, machen mal kurz ne Nebenrechnung auf und finden heraus, dass allein 6€ an Spritkosten gar nicht so unrealistisch wären. Für diese müssten sie mindestens 24 Wasserflaschen sammeln. Natürlich fanden sie zumindest auf meinem Parkplatz keine einzige. Ich beschloss, meine Erkenntnisse für mich zu behalten und ließ sie zum nächsten Parkplatz weiterziehen. Also ich hätte da lieber ‚Tatort‘ geguckt…

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