Ein Sonntagsausflug auf die Knattermeile

Ein Sonntagsausflug auf die Knattermeile

Herrje, schon wieder Monate her, seitdem der letzte Beitrag kam. Tausende Beiträge im Entwurf, aber nix wird fertig – die klassische Schreibblogade. Und auch die Ereignisse dieses Beitrags sind schon wieder einige Wochen her. Da es im Verlauf des Textes etwas anzüglich werden könnte, packe ich mal ne Contentwarnung rein. Hiermit erwähnt und gewarnt – viel Spaß beim Lesen!

Ein sehr deutsches Schild.

Die Legende um die Knattermeile werde ich erst am Ende auflösen, denn zuerst kommt der Sonntagsausflug dran. Dieser führte mich bei bestem Frühlingswetter auf die Autobahn, vorbei am Andrea-Berg-Fanclub aus einem Kaff bei Bremen, in das Alte Land. Nein, ich bin nicht nach Mittelerde gefahren, das Alte Land ist eine Kulturlandschaft vor den Toren Hamburgs und ein beliebtes Ausflugsziel für die Bewohner eben dieser Stadt. Wie ich gemerkt habe. Was will man dort, wirst du dich jetzt fragen, denn eigentlich ist das nur plattes Land im eher überschaubar spannenden Norden Niedersachsens. Das ist auch soweit richtig, allerdings ist das Alte Land deutschlandweit vor allem als Obst-Anbaugebiet bekannt und zur Apfelblüte verwandelt sich die Landschaft in ein Blütenmeer. Mehr als 10 Millionen Obstbäume sollen in dem Gebiet zwischen Stade und Hamburg stehen.

Omenakuva

Nur, wie setze ich sowas in Szene, wenn ich eben genau keine Nahaufnahmen von irgendwelchen Blüten machen will? Dafür kann ich auch mit Karohemd und Weste bekleidet durch den Stadtpark stiefeln und muss nicht vier Stunden ins Alte Land eiern. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, mit dem Tele eine Baumreihe zu fotografieren und dass dann schon nach was aussehen wird. Außerdem hatte ich die Drohne dabei und mir einige Sportplätze rausgesucht, die neben Apfelplantagen liegen. Erstmal stand jedoch eine Brücke auf dem Programm, genauer die Hogendiekbrück. Das e am Ende fällt dem Plattdeutsch zum Opfer.

ein Sonntagsausflug zur Hogendiekbrücke
Die Hogendiekbrücke in Steinkirchen | Viltrox 13mm f 1.4 @ Fuji X-T4 | 1/320s. | f 8 | ISO 160 | 20mm KB

Wer schon mal in den Niederlanden war, könnte der Anblick der 2014 von Grund auf neu gebauten Hogendiekbrück bekannt vorkommen. Diese Zugbrücken spannen sich dort tausendfach über die vielen Kanäle und Flüsse. Das Design wurde natürlich im Alten Land nicht ohne Grund gewählt, sondern es soll die Siedlungsgeschichte der Gegend herausstellen, denn ohne holländische Deichbau-Spezialisten wäre eine Besiedelung des Alten Landes ab dem 12. Jahrhundert nicht möglich gewesen. Funktional ist die Brücke allerdings nicht, die niederländische Aufklapp-Funktion hat man sich gespart. Hier in der Totalen siehst du das, aber so sieht das Ding gar nicht mal so schön aus. Diese beiden Brückenpfeiler auf diesen Betonstelzen im Wasser zerstören irgendwie alles.

Hogendiekbrücke von der Seite
Die Hogendiekbrücke von der Seite | Viltrox 13mm f 1.4 @ Fuji X-T4 | 1/180s. | f 8 | ISO 160 | 20mm KB

Omenakurwa

Mehr als 10 Millionen Obstbäume und kein einziger hat geblüht! Also vereinzelt schon, aber bei weitem nicht so spektakulär, wie ich mir das vorgestellt hatte. Und an ein flächendeckendes Blütenmeer war auch nicht mal ansatzweise zu denken. Da hat mich das Blütenbarometer doch glatt belogen!

Ein Lügenbarometer

Naja… machste nix… also kurvte ich etwas durch die Gegend und wurde auf einen Leuchtturm aufmerksam, der mitten in einem Dorf stand. Ich kenne die Dinger nur am Wasser, aber vielleicht hat dieses spezielle Exemplar ja die Aufgabe, dem abendlichen Stammtisch den Weg heim zu leuchten. Jedenfalls wollte das mit der Drohne mal etwas genauer erkundet werden.

Leuchtturm Grünendeich mit der Elbe im Hintergrund | DJI Mini 3

Gut, dass es am Elbdeich auch Leuchttürme gibt, die nicht von ihren Besitzern in entlegenen Dörfern ausgesetzt wurden. Hier kann man auch entspannt die großen Pötte beobachten, die die Elbe auf dem Weg nach Hamburg passieren. Ich musste mich mit einem etwas kleineren Zeitgenossen begnügen.

Leuchtturm an der Elbe
Richtfeuer Somfletherwisch an der Elbe | Fujinon 16-80mm @ Fuji X-T4 | 1/1250s. | f4 | ISO 160 | 32mm KB

Meine letzte Station im Alten Land führte mich nach Jork, der „Hauptstadt“ der Gegend. Jork hat ein wunderschönes Rathaus dessen Rückseite an einen kleinen Park grenzt.

Hättest du’s gewusst? Der Dichter Gotthold Ephraim Lessing hat in Jork geheiratet. Woher ich das weiß? Es steht auf der Altländer Hochzeitsbank. Dies ist eine schöne Tradition, die auf ebenjenen Lessing zurück geht und die sich bis heute gehalten hat. Brautpaare haben die Möglichkeit, eine Bank zu erwerben, auf der eine Plakette mit den Namen und dem Hochzeitsdatum angebracht wird. Diese Bank wird schließlich an die Gemeinde gespendet, die sie auf einem mehr oder weniger prominenten Platz aufstellt. Und nein, natürlich habe ich nicht daran gedacht, so ein Ding zu fotografieren. Dafür das Rathaus:

Rathaus Jork
Rathaus Jork | Viltrox 13mm f 1.4 @ Fuji X-T4 | 1/640s. | f 4.5 | ISO 160 | 20mm KB

Wäre, wäre, Fahrradkette

…wusste schon der große Poet Lothar Matthäus. Meine heutige Schlafgelegenheit führte mich ungefähr eine Stunde weiter nördlich, nach Itzehoe. It’s a Hoe, wie der Engländer sagt… Dort fand ich eine spottbillige, aber großartig bequeme Monteursunterkunft, jedoch kein Imbiss mit Parkplätzen und guten Bewertungen.

Obligatorisches Zimmerfoto

Ohne etwas zu essen, jedoch aufgrund der schieren Entfernung mit gewissem Zeitdruck, machte ich mich auf ins 90 Minuten entfernte Westerhever. Dort gibt es ja einen wunderbaren Leuchtturm, den quasi jeder schon mal fotografiert hat. Nur ich nicht. Ich weiß gar nicht warum, aber ich habe mir diesen Fotospot auch irgendwie nicht richtig angeguckt und es sollte sich mal wieder die alte Weisheit bewahrheiten: Wer nicht plant, ist am Arsch!

Hätte ich geplant, hätte ich gewusst, dass die Sonne von meinem Standort aus niemals hinter dem Leuchtturm untergehen würde. Hätte ich geplant, hätte ich gewusst, dass ich es in der halben Stunde bis zum Sonnenuntergang niemals schaffe, vom Parkplatz zu einem Punkt zu laufen, an dem die Sonne hinter dem Leuchtturm untergeht. Hätte ich geplant, hätte ich bemerkt, dass ich es viel einfacher hätte haben können, indem ich mich einfach nördlich von St. Peter Ording auf nen Deich gestellt und mit dem Tele über die Tümlauer Bucht gefeuert hätte. Dabei hätte ich sogar noch den perfekten Winkel für den Sonnenuntergang gehabt. Danke, Sören, für diese Eingebung, die du gerne aber schon früher hättest haben können. 😀

Der Leuchtturm Westerhever
Leuchtturm Westerhever zur Blauen Stunde | Fuijnon 55-200 @ Fuji X-T4 | 60s. | f 22 | ISO 160 | 300mm KB

Habe ich alles nicht geplant und nicht gewusst und so fand ich mich etwas ratlos inmitten von kiloweise Schafscheiße wieder und wusste mit dem Leuchtturm so überhaupt nichts anzufangen. Gut für mich, dass sich die Sonne sowieso rechtzeitig zu ihrem Untergang hinter eine fette Wolkenfront verzog. Blöd für mich, dass ich noch 90 Minuten zurück nach Itzehoe fahren musste und außer der goldenen Möwe keine Essensgelegenheit mehr offen hatte. Und selbst die sind in diesem riesigen Nichts namens Dithmarschen rar gesät.

Aber immerhin hatte ich einen Kitschbild-Glückstreffer, als sich abertausendes Federvieh kurz vor Sonnenaufgang aufmachte, in die Nachtquartiere umzuziehen. Danke, Federvieh. Schreib mal Federvieh und du wirst merken, dass dein erster Impuls dauernd Vederfieh schreiben will. Darth-Veder-Vieh.

Sonnenuntergang in Westerhever
Irgendwo in Westerhever | Fuijnon 55-200 @ Fuji X-T4 | 1/400s. | f 6.4 | ISO 200 | 142mm KB

Es knattert die Mühle Meile am rauschenden Bach

So hoch oben sind die Sonnenaufgänge Mitte Mai noch früher. Es war also mit sehr wenig Schlaf zu rechnen und um es einfach zu haben, googelte ich schon mal, wie man am nächsten Morgen an meinem Ziel, der Schöpfmühle Honigfleth, am besten parken kann. Ich war einigermaßen fasziniert, dass Google mich beim ersten Suchtreffer direkt zu einer Sex-Community führte, in der die Örtlichkeit wärmstens für abgeschiedenen und ungestörten Parkplatzsex angepriesen wurde. Naja, Regel 34, machste nix… Wenn es existiert, existiert Pornographie davon.

was sagt man dazu… xD

Das führt mich zu der Geschichte um den legendären „Knattermeilen-Raid“ in World of Warcraft. Eines Abends war meine Gilde mal wieder zu zehnt in einem erfolglosen Schlachtzug und aufgrund mangelnden Erfolgs begannen der Krieger und ich, uns über Knattermeilen auszutauschen. Der genaue Zusammenhang kann aufgrund der Zeitspanne nicht mehr rekonstruiert werden, jedenfalls trug es sich zu, dass unsere Heilerin, die als Unschuld vom Lande galt, das Wort Knattermeile nicht kannte und uns danach fragte. Der geneigte Leser dieses Blogs ist natürlich verdorben genug, zu wissen, dass es sich hierbei um ein Synonym für einen Straßenstrich handelt. Nun ja, Teile dieser Antwort könnten sie verunsichert haben, was zu epischem Gelächter und kurze Zeit später zum Abbruch des gesamten Raids führte. Noch Jahre später war „Araluna, wat is eigentlich ne Knattermeile?“ ein geflügelter Satz an vielen gemeinsamen Abenden. *pfeift das Indiana Jones-Theme*

Fun-fact: Google kennt das Wort Knattermeile nicht. Ich bin empört!

Sonnenaufgang an der Schöpfmühle Honigfleth

Ich schälte mich also aus dem Bett und steuerte das 10 Minuten entfernte Wilster an. Der angepriesene Parkplatz, der 100 Meter von der Mühle entfernt lag, war zum Glück unbevölkert. Blöderweise legt die Menschheit Parkplätze dort an, wo die Menschheit halt hin will und nicht dort, wo Fotografen hin wollen. Will ich eine Mühle mit davor liegendem Graben fotografieren, nützt es mir nichts, wenn ich hinter der Mühle bin. Passenderweise dachte ich auch nicht daran, dass Wiesen frühmorgens klatschnass sind. Meine Füße taten es der Wiese binnen weniger Sekunden nach.

Montagmorgen, kurz vor fünf am Arsch der Heide und ein anderer Fotograf hatte es sich bereits gegenüber gemütlich gemacht. Ich fragte ihn, wie ich dort hinkommen würde und er sagte, ich muss ein mal quer durch Wilster brettern. Gesagt, getan und so endete meine Fahrt vor einem Kuhgatter direkt am Fotospot. Natürlich trug der Kollege Gummistiefel und ich beschloss spontan, ihn für seine Professionalität zu verabscheuen.

Na? Überlegst du schon die ganze Zeit, woher du die Stadt Wilster kennst? Hast du mal deinen Führerschein gemacht? Dann wirst du auf dem im Führerscheinbuch exemplarisch abgebildeten Ortsschild höchstwahrscheinlich den Namen Wilster gelesen haben.

Die Schöpfmühle Honigfleth zum Sonnenaufgang
Schöpfmühle Honigfleth | Fujinon 10-24mm @ Fuji X-T4 | 1/280s. | f 4.5 | ISO 160 | 16mm KB

An der Mühle brauchst du definitiv ein Weitwinkel-Objektiv, oder du gehst ins Hochformat. Ein klassisches 20mm (auf KB) wäre hier mit Querformat aber auch schon überfordert. Belohnt mit einem schönen Sonnenaufgang fuhr ich zurück zu meinem Zimmer, wo an Schlaf natürlich nicht mehr zu denken war.

Encore: Sierksdorf an der Ostsee

Deshalb packte ich schon frühzeitig meinen Kram und fuhr einmal querfeldein in Richtung Lübeck, nicht jedoch, ohne mich vorher mal wieder über „Kartenzahlung erst ab 15€“ beim Frühstückskauf aufzuregen. Sierksdorf war als Zwischenhalt eingeplant, weil ich auch dort ein Zielfoto hatte. Das klappte natürlich nicht, denn es lag kein einziges Fischerboot vor Anker. Dafür konnte ich mich von der Scheußlichkeit des Ortes ganz hervorragend überzeugen, denn gerade die Ecke zwischen Meer und Hansa-Park sieht aus wie ein sowjetisches Ferienlager. Ist das nicht ein entzückendes Urlaubsparadies?

Ferienanlage in Sierksdorf an der Ostsee
Ostsee oder Ostblock? Ein traumhaftes Feriendomizil in Sierksdorf…

4 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert