Tour de Schland – S1E3 – Schubsetanz mit Ziegenblick

Tour de Schland – S1E3 – Schubsetanz mit Ziegenblick

Der Tag begann mit beschissenem Wetter, soweit haben sich die Vorhersagen also bewahrheitet. Was sich nicht bewahrheitet hat: Die Vorhersagen für Thüringen, denn eigentlich sollte es trocken sein. Deshalb sind wir dort ja hingefahren. Spoiler: Es hat nicht eine Sekunde die Sonne geschienen, insbesondere die Fahrt von Frankfurt rüber in den Thüringer Wald, quer durch die verdammte Rhön, hat richtig viel Freude bereitet. Nicht.

Leider hatten wir keine Zeit, uns auf diesen Abstecher entsprechend vorzubereiten. Demnach hatten wir viele Fotospots der Region, wie die Saalfelder Feengrotten oder das Schloss Heidecksburg nicht auf dem Schirm. Dafür aber die Talsperre Schmalwasser, Game of Thrones-Witze bitte am Eingang abgeben.

Startort: Langen (Hessen)

Zielort: Gehren, Thüringer Wald

km: 437

km gesamt: 1.003

Für den ersten Fotospot war das gute Wetter zum Glück auch gar nicht wichtig. Da uns die Triberger Wasserfälle ja nun entgangen sind, haben wir einfach den Trusetaler Wasserfall angesteuert. Denn wenn Wasser von oben kommt, ist es ja egal, ob zusätzlich noch Wasser von oben kommt. Dinge nachbauen konnten die Ossis ja schon immer ausgezeichnet. NudOSSI, Zetti Knusperflocken ,Trusetaler Wasserfälle – ergänzen Sie die Reihe sinnvoll… Findet ihr nicht auch, dass der Stein in der Mitte Ähnlichkeit mit einem bösen Totem aus irgendeinem Fantasy-Spiel hat?

Trusetaler Wasserfall | Sony SLT-A 58 | 3,2 sec. | f/11 | ISO 100 | 36 mm KB

Wobei man dem Trusetaler Wasserfall zugute halten muss, dass er deutlich vor der deutschen Teilung gebaut wurde. Ja, richtig, „gebaut“. Der Wasserfall wurde Mitte des 19. Jahrhunderts als Touristenattraktion angelegt, indem die Truse über einen Graben geteilt, dieser Graben dann über eine 58 Meter tiefe Schlucht geführt wird und unten wieder mit der Truse zusammentrifft. Ganzjährig kann man das Schauspiel übrigens nicht bestaunen, im Winterhalbjahr ist der Wasserfall abgeschaltet, um Frostschäden am Gestein zu vermeiden.

Trusetaler Wasserfall | Sony SLT-A 58 | 1/8 sec. | f/8 | ISO 100 | 18 mm KB

Sehr begeistert hat mich die lokale Imbisskultur, die locker mit der im Ruhrpott mithalten kann. Gefühlt alle 5 km standen teilweise abenteuerlich zusammengezimmerte Hütten am Straßenrand und boten frisch gegrillte Thüringer Roster feil. Am Liebsten hätten wir an jeder angehalten…

Wir fuhren unterdessen weiter zur Ohratalsperre, hatten dort angekommen aber keinerlei Motivation, bei Nieselregen das Auto zu verlassen und die 700 Meter zur Staumauer hochzulaufen. Rückblickend betrachtet wahrscheinlich eine gute Entscheidung, denn die schlechteste Möglichkeit, eine Talsperre zu fotografieren, ist IMMER die Staumauer. Und dann dieser graue Himmel! Also hielten wir 30 Minuten lang an Ort und Stelle Maulaffen feil und überlegten uns, wo wir als nächstes hinfahren. Die Saale wäre doch was (deren Länge wir btw. komplett unterschätzten), die macht so viele schöne Schleifen. Gesagt, getan, auf nach Saalfeld! Auf dem Weg dorthin kamen wir quasi an unserer Unterkunft vorbei. Dies nutzten wir, um schon mal einzuchecken und unseren Kram ins Zimmer zu bringen. Der Name der Unterkunft: Waldhotel Schobsetal. Soweit ich weiß wird es nicht von Feuerschwanz betrieben.

Ja, es war am nächsten Morgen wirklich so früh!

Mit einem Hotel hatte das allerdings nur noch den Namen gemein, Aufkleber wie „bikerfreundliches Hotel 2004“ oder „Hotel der Wanderfreunde 2001“ zeugten von verblasstem Ruhm, hier am Arsch der Welt ohne jegliches Handynetz. Aber Hauptsache nen Zettel mit ner Handynummer aufhängen, falls es beim Check-In Probleme gibt. In der bitteren Realität ist das eher eine Unterkunft für Arbeiter auf Montage. So war unser Auto das Einzige auf dem Parkplatz und der Eingang war verschlossen. Erst nach Betätigen der Klingel bequemte sich Ludmilla aus Kasachstan zur Tür und gebot uns Einlass. Ob sie so hieß, weiß ich nicht, dies ist nicht der Ort für adrett gekleidetes Personal mit Namensschildern. Ihre Deutschkenntnisse waren weit geringer als meine Russischkenntnisse, ich kann auf Russisch wenigstens ‚danke‘ sagen. „Na sdrowje“ heißt übrigens NICHT ‚prost‘. Sie führte uns wortlos zur Theke, an der sie ebenso wortlos mit dem Finger auf ein Formular tippte, welches wir auszufüllen hatten. Corona und so, aber dass die von mir sogar die Ausweisnummer wissen wollten, fand ich dann doch etwas drüber. Das Zimmer bedarf keiner weiteren Erläuterung. You get what you pay for.

‚charmantes Zimmer‘ in ruhiger Lage.

Wir machten uns wieder auf die Socken und fuhren die Stunde rüber zum Hohenwarte-Stausee, etwas euphemistisch ‚Thüringer Meer‘ genannt. In dieser Stunde auf verwinkelten Bundesstraßen kommt man durch allerhand interessante Käffer, das Highlight gab’s freilich schon direkt im Nachbarort zu bestaunen.

Ich will ja jetzt nicht schon wieder von „den Ossis“ anfangen, denn hier wie anderswo gibt es dieserzeit ne Menge verwirrter Gestalten. Es ist aber halt schon auffällig dass mir sowas begegnet, egal wo ich im Osten über’s Land kurve. Ob es das Umland von Chemnitz damals war, oder jetzt hier im Thüringer Wald, krude und menschenverachtende Gedanken sind leider mehr als anderswo salonfähig und das muss man dann eben auch mal festhalten dürfen, ohne direkt wieder 30 Jahre alte Geschichten über „den bösen Westen“ als Antwort serviert zu bekommen. Das Problem liegt (viel) tiefer. Und kreisweite 30% AfD-Anteil bei der LTW 2019 sprechen halt auch ne deutliche Sprache.

Das war der nötige politische Ausflug, zurück zum Tagesgeschehen: Am Stausee war dort außer uns kein Mensch. Aber Parkgebühren wollen se trotzdem haben. Wir hatten es ja vorhin schon – das Langweiligste an einem Stausee ist ein Foto von der Staumauer. Der direkte Uferbereich gehört leider zur Schifffahrt, bzw. Gastronomie und war nicht zugänglich, also blieb nur ein Foto von der Mauer aus. Leidlich spannend, aber immerhin konnte man die ziemlich fetten Karpfen dabei beobachten, wie sie vergnügt vor der Mauer herumsprangen.

Blick von der Staumauer auf’s Thüringer Meer. Sony SLT-A58 | 1/250 sec. | f/8 | ISO 100 | 75 mm KB

Der weitere Weg führte uns südlich am Stausee herum, auf schlechten Straßen, aber ohne vernünftige Zugangsmöglichkeiten zum See. Hannoi suchte fieberhaft irgendwas sinnvolles auf dem Handy und fand eine halbwegs fotogene Saaleschleife bei Ziegenrück. Diese taugte aus verschiedenen Gründen nicht viel, dafür hat uns das Örtchen umso mehr begeistert. Mit knapp unter 700 Einwohnern die fünftkleinste Stadt Deutschlands und malerisch in ein Bachtal eingebettet. Und da die Hänge hier an der Saale sehr steil ansteigen, hat man von oben einen schönen Blick auf die Altstadt. Hier müsste man mal im Winter hinkommen, wenn die Dächer schneebedeckt sind und die Sonne flacher steht.

Game of Ziegenrück | Sony SLT-A58 | 1/200 sec. | f/8 | ISO 100 | 25 mm KB

Die letzte Station des Tages war ebenfalls ein Zufallsfund. Gedanklich standen wir bereits in der Küche unserer Absteige und bastelten Bolognese, als eine Burg am Horizont erschien. Die Burg Ranis thront oberhalb der gleichnamigen Kleinstadt und hat ungefähr 1.000 Jahre auf dem Buckel. Dafür ist sie in erstaunlich gutem Zustand, dazu trägt sicher auch bei, dass die Burg schon seit Langem in öffentlicher Hand ist und mittlerweile als Museum dient. Wir suchten uns einen Punkt etwas außerhalb der Stadt auf einer Anhöhe und während ich endlich mal dem Teleobjektiv etwas Tageslicht gönnte, kämpfte Hannoi mit der örtlichen Flora. Er wollte ein paar Ackerblumen als Vordergrund im Bild haben, der Wind machte ihm allerdings einen Strich durch die Rechnung. Überraschenderweise besserte sich das auch nicht, als er wütend ein paar Sträucher rausrupfte und zur Seite schleuderte.

Auch ich kämpfte mit den Blumen vor Ort, mir wollte es nicht gelingen, Blumen im Vordergrund und Burg im Hintergrund gleichzeitig scharf zu kriegen. Die Lösung: Verschiedene Fokusebenen, bzw. Focus Stacking. Also einmal den Vordergrund fokussieren und einmal den Hintergrund und dann beides am Rechner zusammenfügen. Das Prinzip kommt ursprünglich aus der Makro-Fotografie und da ich damit so überhaupt nix am Hut habe, habe ich das vorher noch nie gemacht. Aber Versuch macht ja bekanntlich kluch und bei dem eher zufällig gefundenen Motiv wär’s auch nicht arg tragisch, wenn’s letztlich nicht funktioniert. Hat übrigens alles gar nicht geklappt, zu viel Gestrüpp im Weg. Wie gut, dass man ein kleines Wunderding namens „Smartphone“ in der Tasche hat und wie praktisch, dass das Ding sogar RAW-Dateien aufnehmen kann. Bauartbedingt haben diese kleinen Scheißer eine große Tiefenschärfe und das machte ich mir zunutze. Da fällt mir ein, ich muss mir unbedingt nen Stativ-Aufsatz für’s Smartphone kaufen…

Durch die Blume gesagt: Burg Ranis | LG G7 | 1/400 sec. | f/1.6 | ISO 200 | 30 mm KB

Der eigentliche Plan, abends nach Erfurt zu fahren, wurde aufgrund einer dort kreisenden Gewitterzelle verworfen und so fuhren wir zurück ins „Hotel“, bastelten uns schnell was zu essen und begaben uns dann in die Horizontale. Morgen wartet ein Mammut-Tag, der heutige war zumindest aus fotografischer Sicht eine herbe Enttäuschung.

Du wolltest schon immer mal wissen, wie der Königssee entstanden ist? Weiterlesen im Teil 4!

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