Hundsrück…? Hundstück…? Hunsrück! Teil 1 – der Calmont (mal wieder)

Hundsrück…? Hundstück…? Hunsrück! Teil 1 – der Calmont (mal wieder)

Der Hunsrück dürfte eine der wenigen Gegenden Deutschlands sein, durch die ich bisher nicht mal aus Versehen gefahren bin. Ich habe mir lediglich ein Mal 90 Minuten Shuttlebus von Hahn nach Koblenz gegönnt, aber wenn man ohne geschlafen zu haben aus Spanien kommt, hat man für die Landschaft keine Augen. Als ich meine Mutter neulich ins 21. Jahrhundert gebeamt und ihr zum Geburtstag einen Chromecast geschenkt habe, startete ich zum Test eher zufällig einen ARD-Beitrag über den Hunsrück. Trotz der komplett nervigen Reporterin war mein Interesse schnell geweckt und da sowohl mein neues Sigma 18-35 f/1.8 Art, als auch Hannoi mal wieder spazieren geführt werden wollen, drängte sich dieser Hunsrück für die sowieso geplante Wochenend-Fototour geradezu auf. Die Planung sah unter Anderem einen Besuch an den Klidinger Wasserfall vor. In der groben Theorie klingt sowas ja immer ganz hervorragend, bis dann die Feinplanung beginnt…

Die Klidinger Wasserfälle liegen – streng genommen – in der Eifel. Und sind nur durch Überwindung von 200 Höhenmetern erreichbar. Wer die Tour de Schland gelesen hat, weiß, dass mich 30 Höhenmeter am Königssee schon direkt ins Sauerstoffzelt gebeamt haben. 200. Puh. Diesen Plan teilte ich natürlich auch Hannoi mit und er war sofort Feuer und Flamme…oder?!

Aber wer verzichtet schon freiwillig auf spektakuläre Sonnenaufgänge, nebelverhangene Täler und kitschig-schöne Moselschleifen? Eben.

Das Wasser rauscht am Wasserfall.

Wenn´s nicht mehr rauscht

ist´s Wasser all

alte sizilianische Bauernweisheit

Hingelaufen sind wir am Ende übrigens nicht. Wir wollten nicht die einzigen Sonnenstrahlen des Wochenendes ausgerechnet in einem Wald ‚verschwenden‘. Ja, das Wetter war mal wieder ein Thema. Spoiler vorab: Sonnenauf- und untergänge sahen wir mal wieder nicht.

Aber erstmal wollte wie immer eine Unterkunft gesucht werden. Dies erledigten wir dieses Mal erst knapp 36 Stunden vor Abfahrt, zu unsicher waren wir uns aufgrund irgendwelcher Corona-Beschränkungen und unflexiblen Storno-Optionen seitens einiger Hoteliers. Wir hatten also noch die (bezahlbare) Auswahl zwischen der Weinstube Castor und dem Hotel Pommern. Trotz der sympathischen Namen haben wir uns letztlich aber für eine Ferienwohnung in der Nähe der Seilbrücke Geierlay entschieden, dem Alten Zehnthaus. Man öffnet die Bude zeitgemäß mit Nuki, diesem digitalen Smartphone-Türdingsbums und kann den Check-In – in Corona-Zeiten nicht unwichtig – auch völlig kontaktlos vornehmen. Also keine Ludmilla, die wortlos auf ein Formular tippt und dabei den Schubsetanz aufführt.

Hannoi ist pünktlich. Das ist gut. Ich begrüße ihn mit den Worten „Ich hoffe, du hast Bier mit. wir fahren nach Rheinland-Pfalz.“ Seine Miene verfinstert sich, meine auch. Es gibt eine Sache, die weniger Spaß macht, als in Köln Auto zu fahren: Am Freitag in Köln Auto zu fahren. Aber hilft ja nix, nennen Sie ein Verkehrshindernis mit sieben Buchstaben: ‚Garbsen, Hamburg… Cologne!‘ Ging dann sogar erstaunlich gut und wir erreichten ohne Verzögerung die Eifel. Da die Sonne sich nun auch mal blicken ließ, hielten wir schon mal nach geeigneten Fotospots am Wegesrand Ausschau, aber uns wollte nichts auffallen. Dafür kam dieses Bistro in unmittelbarer Nähe des Nürburgrings genau richtig, um unseren Hunger zu stillen. Aber was zum Henker denkt man sich dabei, wenn man in eine Krakauer Nelken rein macht? Das ist ja richtig ekelhaft! Immerhin selbstgemacht, keine Fabrik würde sich so ein Attentat auf die Geschmacksnerven trauen. Nun hatte ich die ganze restliche Fahrt den Geschmack von Wildbraten mit Rotkohl im Mund.

Unser erster Plan war es, den Calmont mal bei Tage zu inspizieren. Da war ich ja im April schon mal und dank Nacht und Nebel sah ich meine eigene Hand nicht vor Augen. Jetzt, ein halbes Jahr später, war ich besser vorbereitet und es war Tag und so fanden wir die Einfahrt zum Gipfelkreuz und einen Parkplatz, ca. 2 km vor dem Ziel. Und wir fanden ein „Durchfahrt verboten“-Schild, aber – Vorbereitung – es gab ca. 1 km vor dem Ziel noch einen weiteren Parkplatz. Ein offiziell beschilderter Parkplatz, zu dem man offiziell gar nicht fahren dürfte – willkommen in Deutschland. Wir stellten das Auto also in das erste Schlammloch des Wochenendes und latschten die 10 Minuten zum Gipfelkreuz des Calmont. Den habe ich hier schon mal beschrieben, daher spare ich mir das jetzt mal und komme direkt dazu, meiner Enttäuschung über das Gipfelkreuz, bzw. über den Ausblick von diesem, Ausdruck zu verleihen. Es ist zu hoch und im Vordergrund viel zu verwachsen, sodass man die Moselschleife nicht komplett im Blick hat.

„Das ist blöd hier, lass uns mal versuchen, etwas weiter runter zu kommen“, schlug ich vor, denn etwas unter uns verschwanden gerade zwei junge Damen im Dickicht und auch ich wusste aus der Planung, dass dort ein ziemlich steiler Trampelpfad irgendwo hin führen müsste. Im gleichen Moment, wie ich mich für die Idee feierte, nur die kleine Sony RX100 mitzunehmen und den schweren Rucksack im Auto zu lassen, verfluchte sich Hannoi für seine Schuhwahl, er hatte nämlich nur seine Slicks drauf und die „Outdoor“-Schuhe im Auto gelassen. Durch die vielen Regenfälle der letzten Wochen hat sich dieser durchschnittlich 25% steile Trampelpfad in eine spannende Rutschpartie verwandelt. Jedenfalls für den, der keine geeigneten Schuhe hatte. Hannois Highlight sah ich wenig später aus dem Augenwinkel, als er wegrutschte, dabei absprang und sich wie ein Äffchen etwas hilflos um einen Baum klammerte. Ich hätte ihm gerne eine Banane zugeworfen, hatte aber nur die Kamera dabei und das wollte ich beiden nicht antun.

Schlamm ist, was du draus machst – Sony RX100M3 – 1/60 sec. – f/2.8 – ISO 200 – 24 mm KB

Nun ja, der perfekte Spot war auch hier irgendwie nicht dabei und die Aussicht, heute Nacht im Stockdunkeln diesen Pfad erneut herunterzustiefeln, behagte keinem von uns beiden. Also zeigte ich von oben auf die Stelle, wo ich im April stand und wir einigten uns darauf, es am nächsten Morgen dort zu versuchen.

Sony RX100M3 – 1/60 sec. – f/4.5 – ISO 100 – 24 mm KB

Der Plan, uns einen Spot für den Sonnenuntergang zu suchen, verwarfen wir mangels Sonnenuntergang. Also mussten wir überlegen, was wir als nächstes tun wollen, dazu mussten wir aber erstmal in die Nähe des nächsten Kaffs fahren, es ist ein Kreuz mit der deutschen Netzabdeckung. Eher zufällig fanden wir einen Parkplatz mitten in einer Serpentine und eher zufällig erwies sich dieser als netter Fotospot für das Ultraweitwinkel. Dazu boten die Wolken gerade das passende Drama für einen netten Schnappschuss.

Sony SLT-A77II mit Tokina 11-16 f/2.8 – 1/50 sec. – f/8 – ISO 400 – 16 mm KB

Wo ist denn eigentlich mein Tele? Nach kurzer, erfolgloser Suche im Rucksack fiel es mir wieder ein: Es steht zuhause im Fotoschrank, weil ich letzte Woche am Baldeneysee mein neues Sigma 18-35 mit dem Tamron 17-50 verglichen habe – und das Tele dafür nicht brauchte. Später am Abend sollte sich noch herausstellen, dass das vergessene Tele eine gar wunderbare Liaison mit dem ebenfalls vergessenen L-Winkel eingegangen ist. Blöd, wenn man in einer klaren Vollmond-Nacht auf dem Calmont steht und ein Hochformat-Panorama machen will.

Wir stromerten nun etwas an der Mosel entlang, auf der Suche nach einem netten Örtchen für die Blaue Stunde. Nach etwas Herumsuchen fanden wir ein nettes Plätzchen auf einem Friedhof der Gemeinde Zell, mit Blick auf das Mosel-Ufer und der gegenüber liegenden Ortschaft. Was wir in der Dämmerung komplett übersehen haben: Da ging eine Stromleitung quer rüber, die in der Blauen Stunde natürlich das vorhandene Restlicht erbarmungslos reflektierte und so jedes Foto von uns komplett sinnlos werden ließ.

In leitender Funktion: Augen auf bei der Spotauswahl.

Den Rest gab uns die fette Solaranlage auf dem erstbesten Haus. Blöder Spot. Dafür aber nette Einheimische, die ich direkt mal ausfragte, was man gegenüber alles sehen konnte, hoch über dem Ort war nämlich ein beleuchtetes Etwas zu sehen. „Ist das von den Römern?“ „Ach, das hätten die wohl gern“, entgegnete die Dame, „das ist ein Aussichtsturm aus Anfang des 20. Jahrhunderts. Aber wirklich schön da oben, fahrt mal hin.“ Haben wir dann nicht getan, warum eigentlich nicht? Während Hannoi noch mit ein paar Belichtungsreihen beschäftigt war, probierte ich mal die Sonnensterne des Sigma 18-35 anhand einer Straßenlaterne aus.

Sonnenstern des Sigma 18-35 f/1.8 Art – 10 sec – F/13 – ISO 200 – 33 mm KB

In unserer Verzweiflung fuhren wir weiter zur Reichsburg Cochem, da war ich ja nun schon insgesamt drei Mal, nur noch nie bei Dunkelheit. Und uns wollte eh nichts Besseres einfallen. Dort postierten wir uns auf einen Ponton, an dem normalerweise die Moselschiffe anlegen, um einigermaßen freie Sicht auf die Burg zu haben.

Reichsburg Cochem – Sony SLT-A77II mit Sigma 18-35 f/1.8 Art – 87 sec. – f/11 – ISO 200 – 45 mm KB

Ich stellte wie immer das völlig frei neig- und schwenkbare Display der Sony A77II auf eine halbwegs ergonomische Position ein und plötzlich wurde das Display dunkel und ich schaute einigermaßen sparsam aus der Wäsche. Es passiert mir schon mal gerne, dass ich versehentlich den Fernauslöser auf ‚Hold‘ habe und mich wundere, warum die Kamera nicht auslöst, oder dass ich den manuellen Display/Sucher-Umschalter betätige. Aber nix da, es machte einfach gar nichts mehr, außer sich Ernüchterung breit. Denn das Display blieb auch nach Neustart und Akku-Wechsel dunkel. Erst als ich es frustriert einklappte, zeigte es plötzlich wieder ein Bild an. Lösung: Irgendein Wackelkontakt im Schwenkarm. Solange ich das Display nur neige/drehe, ist alles in Ordnung, aber sobald ich es kippe, geht es aus. Schöne Scheiße, gerade ein Vermögen in ein neues Objektiv gesteckt und nun kackt das Display ab. Ich beschloss, solange einfach so weiterzumachen, bis das Display ganz den Geist aufgibt, dann lohnt sich der Austausch wenigstens.

Beim Einpacken sahen wir plötzlich den Vollmond hervorkriechen und wir beschlossen, nochmal zum Calmont zu fahren. Diesmal ignorierten wir sogar beide Wanderparkplätze und fuhren im stockfinsteren Wald direkt zum Gipfelkreuz.

Vollmond über dem Calmont – Sony SLT-A77II mit Tokina 11-16 f/2.8 – 85 sec. – f/8 – ISO 250 – 16 mm KB

Das unfassbar helle Etwas mittig im Hintergrund ist übrigens keine Stadt, sondern der Flughafen Hahn. Zu unserer Unterkunft war es nun noch eine halbe Stunde Weg. Ok, für 30€ pro Nacht hätte ich das akzeptiert. Aber 85€ pro Nacht und dann eine Bettdecke, dünn wie Papier und ein billiges (und viel zu kleines) Schaumstoffkissen?

Und ja – es darf gelacht werden – ich hab nicht nur das Tele und den L-Winkel zuhause vergessen, sondern sogar frische Unterhosen. Schlafen konnte man auf dieser Pritsche sowieso nicht wirklich, daher war ich gar nicht mal so traurig, dass der Wecker bereits um 5 Uhr schellte. Auf zum Calmont, Sonnenaufgang fotografieren! Ob das funktioniert hat, liest du in Teil 2.

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