Das Vermächtnis des Borkenkäfers

Das Vermächtnis des Borkenkäfers

Was im ersten Moment klingt, wie ein neuer Film mit Nicolas Cage, ist der bedauernswerte Zustand des Harz. Bewusst war ich einige Jahre nicht mehr hier, umso erschrockener war ich, dass quasi jeder zweite Baum komplett im Eimer ist. Heute soll es aber nicht um Borkenkäfer gehen, sondern um Wasserfälle, jedenfalls um einige.

Was ist die notwendigste Ausrüstung, wenn du durch den Harz fährst? Ein Navi mit Offline-Karten! Im Jahr 2021 kann es dir durchaus passieren, dass du 20 Minuten durch Gegenden ohne Handyempfang gurkst. Wenn du dich also nicht im Vorfeld ganz genau informierst, was wo ist, dann könntest du ein Problem bekommen. Oder Langeweile.

Die Ilsefälle schloss ich im Vorfeld schon mal aus, die lagen zu weit ‚abseits‘ und hätten zwei Stunden Wanderung bedeutet. Die Zeit hatte ich heute nicht. Also blieben Bode und Selke als feste Ziele und nein, das sind keine Fußballer von Werder Bremen, sondern Flüsse im Harz. Nun muss man sich deren Wasserfälle nicht als tosende Fluten vorstellen, die sich vor Ort mehrere Hundert Meter rauschend in die Tiefe stürzen, sondern das Ganze geht etwas gemütlicher vonstatten.

Die Bode

Die Bode ist ein 169 km langer Nebenfluss der Saale, der sich bei Königshütte aus der Kalten und der Warmen Bode formt und bei Bernburg in die Saale fließt. Dies nur kurz, denn keine 10 km weiter geht es schon in die Elbe. Die Kalte und die Warme Bode entspringen nur 1 km Luftlinie voneinander am Fuße des Brocken, die Warme Bode heißt dort allerdings noch Große Bode, die sich erst nach ca. 4,5 km mit der Kleinen Bode zur Warmen Bode vereinigt. Wenn dir nun vor lauter Boden der Boden unter den Füßen weggezogen wurde – setz dich hin, sammel dich etwas und lies dann in Ruhe weiter. 🙂

Um diesen Abschnitt soll es dann heute auch etwas konkreter gehen, denn oberhalb von Braunlage hat die Bode eher den Charakter eines wilden Bergbaches und fließt über Stock und Stein, was sich für schöne Fotos mit dem Weitwinkel einigen würde. Würde? Ja, würde. Lies den nächsten Absatz und erfreue dich an der Blödheit Anderer…

Parkplätze gibt es in Braunlage genügend, mit etwas Glück auch kostenfrei. Meiner lag direkt am Fluss/Bach, sodass ich in nicht mal 10 Schritten im Wald verschwunden war. Zuerst musste jedoch etwas umgekramt werden. Ein namentlich nicht genannter Autor dieses Blogs packte die Kamera in den Kofferraum, um die Jacke im Rucksack zu verstauen, schnallte den Rucksack samt Stativ auf den Rücken… Und watschelte los. Ohne Kamera. Natürlich. Dies merkte er freilich erst nach gut 20 Minuten, als er die Kamera rausnehmen wollte. Gut, dann heute nur Handyfotos…

Die Bode kurz vor Braunlage – eine richtige Foto-Ausrüstung wäre sooo wichtig…

Ich war sichtlich überrascht, dass ich sogar Ende April noch einzelne… wie nennt man die Dinger eigentlich? Schneefelder? Schneebretter? Nee, ein Schneebrett kommt vom Berg und begräbt dich. Schneehaufen! Nennen wir es Schneehaufen. Kurzform: Schnaufen! Wie die Dampfloks der Harzer Schmalspurbahnen, von denen ich heute keine einzige zu Gesicht bekam.

Ein Schnaufen!

Am Zusammenfluss von Kleiner und Großer Bode (da fällt mir ein: Ich muss mal wieder nach Großenbrode. Ans Meer!) machte ich kehrt, hockte mich in Ermangelung einer Bank vorher kurz auf einen riesigen Stein. Hier etwas Trivia: Baumharz am Arsch verteilt sich besonders gut auf Autositzen. #mussmanwissen

Wandern ist gut für den Geist – sagt man

Nur ungern ließ ich mein Herz aus Eis vor Ort zurück und tigerte zurück zum Auto. Das hätte ich gern auf einem anderen Weg gemacht, aber auf die andere Seite kam ich leider nicht, ohne mir nasse Füße zu holen.

Die Selke

Nun stand mir fast eine Stunde Autofahrt bevor – der Harz ist größer als gedacht und den Selkefall im äußersten Osten, genauer gesagt zwischen Alexisbad und Mägdesprung. Eigentlich war der Plan, das Auto irgendwo in Alexisbad abzustellen und ca. 1,5 km zu den Selkefällen zu wandern. Allerdings gab es in ganz Alexisbad weder Empfang, noch eine Beschilderung – ich hatte schlicht keinen Plan, wie ich zu den Dingern hinkommen soll und die Idee, die Strecke auf der Bundesstraße langzulatschen kam mir extrem blöd vor. Also war ich faul und stellte das Auto an der Bundesstraße an den Seitenstreifen und hatte nur 50 Meter Fußweg vor mir.

Die Selke ist gute 65 km lang und ein Nebenfluss der Bode. Der hier befindliche Selkefall ist im ersten Moment überhaupt nicht eindrucksvoll, hat er doch nur eine Höhe von ca. 2 Metern. Allerdings hat er eine gewisse industriegeschichtliche Bedeutung, denn er ist ein Relikt des so genannten Carls Teich, einer Staustufe, die im frühen 19. Jahrhundert für die Eisenhütte Mägdesprung genutzt wurde. 1955 wurde das Bauwerk durch ein Hochwasser zerstört und bildete den Selkefall in seiner heutigen Form.

Als ich dort meines Weges getrottet kam, waren bereits zwei andere Fotografen am Wasserfall zugange. Einer kam mir gerade entgegen und seine Kamera tropfte verdächtig. Kameras tropfen normalerweise nicht. Auf verdutzte Nachfrage meinerseits, schilderte er, dass seine Kamera gerade ein erfrischendes Bad in der Selke hinter sich hatte, weil er das Stativ nicht korrekt ausgefahren habe. Blöd gelaufen. Ich half so gut ich konnte mit einer Armada Tüchern aus, aber sein Tag war verständlicherweise gelaufen. Grüße gehen raus an euch, ich hoffe, die Kamera hat’s überlebt.

Sein Kumpel war gerade auf der anderen Seite des Ufers zugange. „Wie kommt man da rüber?“, rief ich ihm zu. „Das willst du nicht wissen“, kam als Antwort zurück. Kurze Zeit später entledigte er sich seiner Stiefel und watete durch das gewiss nicht tiefe, aber eiskalte Wasser zurück.

Eindrucksvoll ist dieser Selkefall nicht, aber durch seine geringe Höhe und den kaskadenartigen Verlauf gibt es vor Ort viele tolle Möglichkeiten der Bildgestaltung und auch mit Querformat wird man glücklich. Es muss ja nicht immer insta-kompatibel sein, eine gelbe Regenjacke hatte ich sowieso nicht zur Hand.

Der Selkefall | Nikon Z6 & Nikkor 14-30mm f/4 | 1 s. | f/8 | ISO 100 | 16 mm KB | ND 1000

Zurück am Auto hatte ich jetzt ein Problem, mit dem ich vorher nicht gerechnet habe: Zu viel Zeit. Ich wollte an der Bode ja eigentlich richtig fotografieren und zum Selkefall laufen. Und nun? Das Mobilnetz fehlte leider genauso, wie meine Ortskenntnis – eine Tatsache, die mich den Königshütter Wasserfall kostete. Mein stationäres Navi und ich haben offenbar eine unterschiedliche Auffassung von einem ‚Point of Interest‘. Also gab ich ‚Bad Harzburg‘ in dieses ein und ärgerte mich später, keine 10 km an Königshütte vorbei gefahren zu sein. Hinweisschilder gab’s natürlich auch keine.

Viel Radau um nichts…

In Bad Harzburg wollte ich noch eben den Radauer Wasserfall mitnehmen, den ich vorhin schon von der Bundesstraße gesehen habe. Viel mehr als ‚eben mal mitnehmen‘ kann man hier auch nicht. Mit 23 Metern Höhe ist der Kollege zwar schon eindrucksvoll, aber im Endeffekt ist es ein künstlich angelegtes Rinnsal, das an einem Felsen herunter fließt und wenig romantisch an einer Bundesstraße und gegenüber eines riesigen Steinbruchs gelegen, wollte bei mir nicht wirklich Fotostimmung aufkommen.

Radauer Wasserfall | Nikon Z6 & Nikkor 14-30mm f/4 | 1/3 s. | f/8 | ISO 50 | 15 mm KB | ND 1000

Ich wiederhole meine Frage von vorhin: Und nun? Stand ich nutzlos in Bad Harzburg herum und suchte eine Beschäftigung. Wo sind denn diese Höhlenwohnungen? Ach, Langenstein ist bei Halberstadt?! Nein, das ist zu weit weg und obendrein die komplett falsche Richtung, ich hatte ja noch ein Date mit einem Fußballstadion in Braunschweig. Nochmal in den ‚richtigen‘ Harz zurückfahren? Kostet auch endlos Zeit. Ok, beenden wir es und fahren nach Braunschweig, diese Episode gibt’s aber im dritten Teil des Corona-Groundhoppings zu lesen. Und nächstes Mal hier bin ich auch besser vorbereitet.

Ach, du hast den Bericht aus Monschau gelesen und bist ganz verrückt nach neuer Musik? Wie wär’s mit ‚Harz on Fire‘ von HammerFall? 🙂 https://www.youtube.com/watch?v=htKY2oD85rs

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