Tour de Harz Teil 1 – Harzlich willkommen

Tour de Harz Teil 1 – Harzlich willkommen

Eigentlich wollten wir nach Dänemark und parallel ein Fußballspiel in Odense auf der Insel Fyn (deutsch: Fünen) mitnehmen. Allerdings haben wir einige Tage vor Reiseantritt festgestellt, dass dänische Stadien offenbar nicht als ‚touristisch‘ eingestuft werden und für deren Betreten wäre ein dänischer CovidPass notwendig. Den hatten wir nicht und ich hatte bereits 30 Fotospots auf Fyn rausgesucht, die nicht nur aus Strand und Meer bestanden, was gar nicht so einfach war. War jetzt für die Katz. Oder wie der schlechteste Komiker der Welt sagen würde: Fynynynynyny!

Aber nun fynyto mit dem Hadern – ein Alternativprogramm musste her und so fiel die Wahl auf den gar nicht so arg weit entfernten Harz. Der stand ja noch von letztem Jahr auf dem Programm und rückblickend war ich froh, dort nicht schon 2020 gewesen zu sein. Die Tour de Schland matchte damals noch nicht wirklich mit meinen/unseren Erfahrungen und so angenervt, wie ich letztes Jahr teilweise von den Gegebenheiten war, hätte ich auch im Harz keinen Spaß gehabt. Zurück ins Jetzt, flugs die einzig bezahlbare Unterkunft bei AirBnB gebucht und mit Hannoi in einer Mammut-Discord-Session ca. 35 potentielle Fotospots für (fast) alle Wetterlagen und Tageszeiten rausgesucht. Sollte reichen für 3 Tage… Dazu gab’s für Sonntagmittag noch ein Fußballspiel im nahe gelegenen Halberstadt. Plan steht? Jau!

Hannoi drohte ich an, den Treffpunkt auf Donnerstagmorgen, 9 Uhr zu legen, was mir mannigfaltig kreative Verwünschungen einbrachte. Blöder Griesgnom! Einen Tag vorher gab ich Entwarnung; Der anvisierte Sonnenaufgang in Essen fiel aus. Ich hatte ja keine Ahnung, wie oft ich diesen Satz am Wochenende noch gebrauchen würde…

So war ich erst gegen halb 12 an seinem Arsch der Welt, nachdem die A2 mich so begeisterte, dass ich lieber 100km querfeldein Landstraße gefahren bin. Nach letzten Besorgungen fanden wir uns gegen 14 Uhr in Braunlage ein. Es goss aus Strömen, der Harz zeigte sich von seiner ‚besten‘ Seite. War uns für diesen Fotospot aber ziemlich wurscht, es ging (wieder) an die Bode. Dort war ich ja im April schon mal, allerdings lag meine Kamera damals ja ganz professionell im Auto. 🙂 Allzu weit gingen wir dieses Mal nicht hinein, wir mussten ja nur knapp 2 Stunden überbrücken. Außerdem goss es mittlerweile wie aus Eimern und so waren wir froh, dass wir unter einem Baum einen trockenen Platz für die Ausrüstung fanden.

Warme Bode bei Braunlage – Nikon Z6 & Nikkor 14-30mm f4 | 1.3s | f11 | ISO 100 | 24mm KB

Hannoi ging nach dem Motto vor ‚Wenn Wasser von oben kommt, kann Wasser auch von unten kommen‘, zog sich kurzerhand die Schuhe aus und parkte sich und sein Stativ in der Bode.

Ich suchte mir derweil andere Beschäftigung und packte mal das Tamron 35-150mm aus, um mir gezielt Details herauszupicken.

Warme Bode bei Braunlage | Nikon Z6 & Tamron 35-150mm f2.8-f4 | 3s. | f11 | ISO 100 | 80mm KB

Mittlerweile war es auch wieder trocken und wir packten unseren Kram zusammen, um in unsere Unterkunft nach St. Andreasberg zu fahren. Allerdings hatten wir es nicht eilig und kurvten etwas durch die Dörfer. In Braunlage, Restaurants mit Supernamen – Ristorante Giuseppe Meazza.

Eine Ferienwohnung in einem Hotel mit relativ guten Bewertungen bei AirBnB. Ich weiß nicht, ob man bei diesem Portal seinen Anspruch beim Login abgibt, weil man dort ja auch irgendwelche Sofas mieten kann, aber die Bewertungen kann ich mir nicht erklären. Was für eine räudige Bude! Ich erwarte bei so einer Tour keinen Luxus, ich erwarte aber auch keine Krümel auf dem Sofa, keinen fleckigen Boden und kein Schokoladenpapier im Nachttisch. Ich hätte allerdings auch eine vernünftige Matratze durchaus begrüßt. Fakt: Nur weil man auf einem Waschbrett schläft, bekommt man keinen Waschbrettbauch. Nur tierische Rückenschmerzen und weniger Schlaf als geplant. Aber später mehr davon…

#rattenloch

Interessant ist ja immer, was sich in Ferienwohnungen so ansammelt. Wir fanden eine Tüte Einmachzucker aus Dänemark. Schon mal im Wanderurlaub Marmelade gekocht? Nein? Ferner hing eine alte Eieruhr an der Wand. Wennde umdrehst, is Ei gar. Nordwand. Die ist in der Schweiz, wir waren im Harz und hatten Hunger.

Die weiteren Aussichten: grau.

Also ab nach Clausthal-Zellerfeld, um einerseits den Magen zu füllen und um zu gucken, ob man mit dieser blauen Kirche doch irgendwas sinnvolles anstellen könnte. Bei blauem Himmel faszinierte mich die Idee nicht so, aber da der Himmel eine einzige graue Suppe war, könnte das spannend aussehen. Von der Hauptstraße allerdings war das nun alles überhaupt nicht faszinierend, zumal gerade eine riesige Tafel an der Kirche prangt und auf die Innensanierung hinweist. Aber man kann ja noch von der anderen Seite ran, dort befindet sich ein großer, leerer Platz. Blöderweise hat jemand vergessen, die Blende weit genug zu schließen und hatte ein Problem mit der Tiefenschärfe. Wer kann das nur gewesen sein? *pfeif* Ach, jetzt weiß ich’s wieder, das war der Typ, der keinen Bock hatte, ein Stativ mit ins Restaurant zu schleppen. Passend drehte gerade ein BMX-Fahrer seine Runden und machte lustige Wheelies auf dem Platz. Hach, jetzt so ne LKW-Ladung Schnee zur Hand haben… Ich packe meinen Koffer und nehme mit: Eine Mini-Akku-Flex, ein Fichtenmopped, eine Schneekanone… Fortsetzung folgt!

Marktkirche zum Heiligen Geist, Clausthal-Zellerfeld | Nikon Z6 & Nikkor 14-30mm f4 | 1/250s | f5.6 | ISO 500 | 14mm KB

Nun wirst du dich sicher fragen, von was für ner Kirche der Typ die ganze Zeit redet. Muss man die kennen? Ja! Die Marktkirche zum Heiligen Geist, wie sie offiziell heißt, ist die zweitgrößte Holzkirche Europas. Größer ist nur die Kirche von Kerimäki in Finnland. Und sie ist so wunderbar blau lackiert. Dafür lohnt der Weg in den Harz, das kriegt man sonst nirgendwo zu sehen.

Es war ja auch Wahlplakat-Zeit. Die schönste Zeit des Jahres, wie ich finde – lauter Backpfeifengesichter, gern grottenschlecht fotografiert. Auch der Harz machte da keine Ausnahme. Spitzenreiter in der Kategorie: Axel Bender von der CDU mit dem weltklasse Slogan „Wählt Bender im September“. Garniert mit einem dermaßen unvorteilhaften Foto… Moment mal; Bender? Das schreit ja geradezu nach Photoshop!

DEN würd ich wählen!

Wir fuhren weiter nach Goslar, um die nächste Kirche in Angriff zu nehmen; Die Gustav-Adolf-Stabkirche in Goslar-Hahnenklee-Bockswiese. Dat is so wie Herne-Wanne-Eickel. Nur bedeutend schöner. Ich konnte übrigens nicht herausfinden, warum diese Kirche nach Gustav Adolf benannt ist. Die einzig relevanten Personen mit diesem Namen waren schwedische Könige, der Bekannteste von Ihnen Gustav II. Adolf von Schweden (1594-1632), der im Dreißigjährigen Krieg maßgeblichen Anteil an der Etablierung/Verteidigung des Protestantismus in Norddeutschland hatte. Ich vermute, dass ihm zu Ehren diese Kirche geweiht wurde, die übrigens eine freie Kopie der norwegischen Stabkirche Borgund ist. Nicht Burgund, das sind die mit dem Rotwein. Man weiß es nicht und trotz dass die Kirche weit entfernt davon ist, eine Sehensunwürdigkeit zu sein, schweigt sich die Webseite einer so großen Sehenswürdigkeit unwürdig über die Namensherkunft aus.

Ausführliche Informationen erhalten Sie während der Öffnungszeiten in der Kirche.

Wie gut, dass Fotografen immer zu den Öffnungszeiten kommen und die Kirche gerade 319km von mir entfernt ist. Ich erkläre meine Theorie hiermit als offiziell plausibel. Wer das Gegenteil behaupten kann, darf dies gern in den Kommentaren tun.

Genug historischer Klimbim, zurück ins Jetzt. Hier stellten wir unsere Stative im ersten Versuch einfach an den nächstbesten Hügel, ich hatte allerdings arge Probleme mit dem Fokus. Was ich auch versuchte, Autofokus, manueller Fokus, Blende auf, Blende zu – es gelang mir nicht, die Kirche scharf abzubilden.

Gustav-Adolf-Stabkirche in Hahnenklee | Nikon Z6 & Nikkor 14-30mm f4 | 6s. | f6.3 | ISO 200 | 14mm KB

Wir gingen weiter um die Kirche herum, um diesen blöden Hügel aus dem Bild zu kriegen. Als wir dort ankamen, trauten wir unseren Augen kaum, stand genau vor, bzw. hinter der Kirche doch so eine mobile Arbeitsbühne herum, die jeglichen Bildaufbau schon im Keim vernichtete. Wie zwei geprügelte Hunde schlichen wir zurück zum Auto und beschlossen, nochmal nach Clausthal zu fahren, um der Marktkirche in der blauen Stunde eine zweite Chance zu geben.

Nur verkroch sich die blaue Stunde in einer Geschwindigkeit, die wir unterschätzt hatten. Bisher glaubten wir, diese wäre nur zur Wintersonnenwende sehr kurz, aber ein Blick auf Photopills ernüchterte – heute nur eine blaue Viertelstunde. Drei Teile, Obelix! Immerhin war die Kirche beleuchtet, aber der stockfinstere Abendhimmel war nicht einladend. Besser als noch zwei Stunden zuvor war es dennoch.

Marktkirche zum Heiligen Geist, Clausthal-Zellerfeld | Nikon Z6 & Nikkor 14-30mm f4 | 25s | f13 | ISO 200 | 14mm KB

Nun war der Abend erst angebrochen und wir wussten nicht so ganz, wohin mit uns. Wir beschlossen, die 50 km auf uns zu nehmen und zur Rappbode-Talsperre zu fahren. Diese und die benachbarte Hängeseilbrücke Titan RT wollten wir beleuchtet bei Vollmond fotografieren. Diesen Plan behinderten allerdings zwei Tatsachen: Einerseits die Ankunft um 23:04 Uhr und die damit einhergehende Feststellung, dass das Ding nur bis 23 Uhr beleuchtet ist und andererseits der Vollmond, der sich nicht mal ansatzweise hinter seiner Himmelswolldecke hervor traute.

Allerdings traute sich jemand anderer hervor und versetzte uns einen ziemlichen Schock, als wir gerade in Begriff waren, vom Parkplatz zum Eingang der Titan RT zu laufen. Wie in einem schlechten Horrorfilm stand uns plötzlich ein mit einer gewaltigen Taschenlampe bewaffneter Security-Mann gegenüber, der sich über diese spontane Zusammenkunft aber beinahe ebenso stark wunderte wie wir. Der Kollege entpuppte sich als entspanntester Sicherheitsmann aller Zeiten und lud uns ein, ihn auf seiner Runde an den Eingang direkt zu begleiten. Er beäugte unser fotografisches Tun eher neugierig als misstrauisch und erzählte uns bei der Gelegenheit etwas Trivia zum Ort. Er war sichtlich froh, dass hier mal Leute auftauchen, die nicht gleich Schabernack im Sinn haben. Ich hingegen war überrascht, dass abends offenbar niemals Fotografen hier auftauchen und hätte erwartet, dass die beleuchtete Brücke Stative magisch anziehen würde.

Rappbode-Talsperre & Titan RT bei „Vollmond“ | Nikon Z6 & Nikkor 14-30mm f4 | 30s | f4 | ISO 4000 | 14mm KB

Fotografisch blieb es sinnlos, aber für einen Schnappschuss ist es ok geworden. Allerdings war ich mal wieder von der Z6 begeistert. Das auf dem Bild ist ISO 4000! Dafür ist das Rauschverhalten beachtlich!

Auf dem Rückweg nahmen wir spontan noch den Königshütter Wasserfall mit, den man nachts sogar beleuchtet. Umso enttäuschender war das Ergebnis. Als hätte jemand einen Gartenschlauch auf einen Felsen gelegt und nen Baustrahler davor gestellt, um vorbeifahrenden Touris zu suggerieren, dass dort sonstwas auf sie wartet.. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: Um den Preis ‚lächerlichestes Rinnsal des Wochenendes‘ sollte der Kollege beeindruckende Konkurrenz von der Dusche in meinem Hotelzimmer bekommen.

Dorthin fuhren wir nun auch, ich stellte mich eine halbe Stunde unter die Dusche (um nass zu werden) und schlief danach direkt ein – um 15 Minuten später wieder hellwach zu sein. Der Glockenberg heißt Glockenberg, weil er sich 24/7 alle 15 Minuten mit Gebimmel bemerkbar macht. Der Mensch kann waffenfähiges Uran produzieren, zum Mond fliegen und in Rekordzeit Impfstoffe entwickeln – aber diese Bauern hier haben keine Uhren! Uff, schon 1.600 Wörter… Reicht für’s Erste, Teil 2 folgt.

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