Tour de Harz Teil 3 – Die Ilse und der wilde Wolf

Tour de Harz Teil 3 – Die Ilse und der wilde Wolf

Zum Glück war wieder kein Sonnenaufgang, so konnten wir ausschlafen und starteten erst gegen 11 Uhr. Zuerst wollte ich einen möglichen Spot für einen morgigen Sonnenaufgang auskundschaften, also fuhren wir erst nach Schulenberg. Dort hat man einen hervorragenden Blick über die Okertalsperre. Jedoch kamen wir erst durch Altenau… Geschäfte mit Supernamen gefällig? Ehemaliger Lotto-Laden!

Hier steht ein Hinweisschild auf einen Laden. Der Laden ist einen Meter vom Schild entfernt.

Am Wohnmobilstellplatz in Schulenberg angekommen, wurde der Spot für einen Sonnenaufgang tauglich befunden und schnell ein Schnappschuss gemacht. Allerdings freue ich mich schon darauf, hier morgen früh vor dem Sonnenaufgang durch die ganzen Camper-Vans zu stolpern. Eine schöne Aussicht hat man ja, aber das perfekte, instagram-like Vanlife-Abenteuer – es ist eine gut inszenierte Lüge. Den Van mit einer Lichterkette dekoriert, Richtung Sonnenuntergang gedreht, weil das bringt ja Likes. In Wirklichkeit steht man mit vielen anderen dieser weißen Riesenrollatoren auf einem Kiesplatz und schüttet an einem wackeligen Alu-Klapptisch sitzend, Instant-Kaffee in sich hinein.

Okertalsperre – Nikon Z6 & Tamron 35-150mm | 1/400s | f8 | ISO 100 | 78mm KB

Die wilde Ilse

Danach fuhren wir nach Ilsenburg, um ein bisschen an der wilden Ilse spazieren zu gehen. Das ist übrigens ein Fluss und kein Softporno aus den 50ern.

Hier galt wieder: Vorbereitung ist die halbe Miete. Die offiziellen Parkmöglichkeiten sind 1 Km vom Wald entfernt und waren am Samstagmittag hoffnungslos überlaufen. Die 5€ Parkgebühren (Tageshöchstsatz) hätten uns nicht mal abgeschreckt, aber es war halt rappelvoll. Von der Vorbereitung wussten wir, dass direkt am Wald ein Hotel ist und man dort auch parken darf, wenn man 5€ löhnt. Ich parkte die Karre also, warf an der Rezeption 5€ ins Schweinchen und wir verschwanden nur Sekunden später direkt im Wald. An der Ilse gibt es zwei Wege – einen großen rechts und einen kleinen trampelpfadartigen links. Auf dem kleinen solltest du gerade nach einer Regenperiode zwingend gutes Schuhwerk mitbringen, es ist stellenweise arg rutschig. Genau wie die Steine im erweiterten Flussbett, wo wir zum Fotografieren herumlungerten. Stativ und Füße suchten mehrmals vergeblich nach Halt und ich legte ne schöne Sitzbulette aufs Parkett. Hannoi wollte in nichts nachstehen und spielte solange auf einem kippelnden Stein herum, bis er sich fast aufs Mett legte. Eigentlich wollten wir auch zum Ilsestein hochlaufen, der sich direkt über uns befand und eine spektakuläre Aussicht feil bot. Allerdings steckte uns der gestrige Tag noch etwas in den Füßen und auf 120 Höhenmeter hatten wir irgendwie beide keinen Bock. Auch die oberen Ilsefälle in 3km Entfernung erreichte unsere Faulheit heute nicht, wir begnügten uns mit den weniger spektakulären, unteren Ilsefällen. Und beobachteten nebenbei die Zwei, die neben uns gerade dieses Rinnsal (andere nennen es Wasserfall) fotografierten. Canon EOS R5 für 4.500€ auf nem 30€-Stativ von Hama… also ich hätte Angst um meine Kamera…

Untere Ilsefälle | Nikon Z6 & Tamron 35-150mm | ND64 + CPL-Filter | 2s | f8 | ISO 100 | 95 mm KB

Wir entschlossen uns, relativ zeitnah zu unserem Luxusapartment zurück zu fahren, im dortigen Restaurant einen Happen zu essen und uns dann zum versprochenen Sonnenuntergang zu begeben.

Auf dem Weg dorthin hielten wir kurz an der Oker. Hier gibt es einen Ort namens Verlobungsinsel, der im Vorfeld als ‚wildromantisch‘ und „eine der schönsten Wildwasserstrecken Deutschlands“ angepriesen wurde. Was mir aber keiner erzählt hat: Die Oker fließt hier nur, wenn 2x pro Tag die Schleuse der flussaufwärts liegenden Okertalsperre geöffnet wird. Ist das nicht der Fall, ist die Oker an dieser Stelle toter als der Aralsee. Das Wasser stand und überall lag Müll herum. Schade, Potential hat der Spot, gerade wenn man flussabwärts schaut und das Flussbett an beiden Seiten von 300m hohen Steilhängen flankiert wird. So aber hatte ich keine Lust und legte mich lieber auf einen Stein in die Sonne, während Hannoi versuchte, irgendetwas ansehnliches mit der Kamera zu veranstalten. Dabei fiel ihm auf, dass er nach gestern Abend vergessen hat, den ISO-Wert wieder niedrig einzustellen. Upsi.

Liebloses Handyfoto vom Aralsee des Harzes

Der sich den Wolf läuft

Warte, warte nur ein Weilchen, dann kommt Wölfi auch zu dir. Getreu des alten hannoverschen Kinderreimes machten wir uns auf den Weg zur Wolfswarte, um dort den Sonnenuntergang zu bestaunen. Die Vorhersage war gut und so hatten wir Hoffnung auf einen großartigen Sonnenuntergang. Der Parkplatz der Wolfswarte fasst mit Mühe und Not fünf Autos und liegt mitten im Nirgendwo zwischen Torfhaus und Altenau. Kann man schon mal dran vorbeifahren… ist mir natürlich nicht passiert. *hüstel*

In einer imaginären Familie der Bundesliga-Maskottchen wäre Wölfi der BWL-Justus. Brav, unscheinbar, etwas zu schmal. Mit Hornbrille und hochgeklapptem Polo-Kragen absolviert er ein Werksstudium bei VW. Der leider schon längst eingemottete hannoversche Hanno hingegen wäre der stets etwas zu prollige Onkel, den jeder von uns schon mal auf einer Familienfeier erlebt hat, wie er sturzbesoffen peinliche Nazi-Witze erzählt.

Der eigentliche Weg auf die Wolfswarte ist dann gar nicht schwierig. Jedenfalls für wandererprobte Outdoor-Menschen. Für uns schon. Wie gestern am Agnesberg warteten 100 Höhenmeter auf uns, wo der Agnesberg aber mit steilen, flachen, anspruchsvollen und anspruchslosen Strecken mit Abwechslung aufwartete, geht’s hier nur stumpf geradeaus. Und zwar bei gleichmäßig 10% Steigung über loses Gestein und über matschige Pfade. Das Ziel entschädigt aber für alles! Auf den ersten Blick denke ich mir, dass hier ein Tieflader seine Gesteinsladung verloren haben muss, aber schaut man sich in Ruhe um, entdeckt man eine Menge interessanter Steinformationen und kommt gar nicht umhin, sich zu fragen, warum Mutter Natur ausgerechnet das jetzt für eine gute Idee hielt. Dazu kommt, dass man auf der Wolfswarte stehend eine fantastische Aussicht hat, befindet man sich doch auf 917m Höhe und somit auf einem der höchsten Punkte des Harzes. Altenau, das in Sichtweite am Horizont auftaucht, liegt ganze 400m tiefer. Und das Beste daran: Wir waren mutterseelenallein!

Steine, nichts als Steine…

Die Wolfswarte heißt Wolfswarte, weil man dort auf den Wolf wartet. Und während man so auf den Wolf wartet, kann man sich nochmal den Hinweg durch den Kopf gehen lassen und ob es wirklich eine gute Idee war, vorher eine Portion Hirschgulasch zu verdrücken, die auch für zwei Wölfe gereicht hätte. Spoiler: Nein!

Wolkenvorhersage für den Sonnenuntergang auf der Wolfswarte. Sieht gut aus…theoretisch

„Nein“ sagte sich auch die Sonne und verschwand fünf Minuten nach unserem Erscheinen in einem diesigen Einerlei. Das gibt es doch überhaupt nicht! Hannoi war so genervt, dass er gar nicht erst den Auslöser drückte. Zumal die Wolfswarte jetzt doch stärker bevölkert war, als die Auffahrt nach L’Alpe d’Huez bei der Tour de France. Gut, dass ich diese Genervtheit mittlerweile abgelegt habe (siehe erster Absatz in Teil 1) und so auch diesen Bedingungen etwas abgewinnen konnte, zumal ja ein kleiner roter Streifen zumindest etwas Wolkendrama versprach und ich aus der mittlerweile gewonnenen Erfahrung weiß, dass ich mit etwas Tuning in Lightroom da schon was draus machen kann.

Blick von der Wolfswarte auf Altenau – Nikon Z6 & Nikkor 14-30mm | 1/15s | f8 | ISO 125 | 16 mm KB

Finale

Der Abstieg machte noch weniger Spaß als der Aufstieg, denn ich bin gefühlt 400x umgeknickt und weggerutscht. Zurück im Auto fragten wir uns, was wir mit der einsetzenden blauen Stunde anfangen sollen. Stolberg? Zu weit weg! Hohegeiß? Da steht doch diese schnuckelige Kirche. Was? 40 Minuten? Nö… Ok, dann fahren wir halt ins Hotel, kamen rechtzeitig zur 2. Halbzeit des Samstagabend-Zweitligaspiels, ließen den Tag bei Cider und Vielanker Cola ausklingen und einigten uns auf einen frühen Wecker, um zumindest mal die Chance auf einen Sonnenaufgang zu wahren. Bilder sind heute sehr wenige rumgekommen, fotografisch ein ziemlich gebrauchter Tag.

Ich hatte auf dieser gottlosen Gulag-Pritsche exakt 3 Stunden geschlafen, als um 4:45 Uhr der Wecker klingelte. Draußen schüttet es in Strömen, einen Sonnenaufgang werden wir nicht sehen. Also weiterschlafen…denkste! An Einschlafen war nicht mehr zu denken, also habe ich mich einfach vor den Fernseher gesetzt und Fußball geguckt. Hannoi hat ähnlich gut geschlafen und so taten wir etwas, das vor gut 18 Monaten noch undenkbar schien: Um 13 Uhr in Halberstadt Fußball gucken? Am Arsch die Waldfee! Und dann fuhren wir einfach nach Hause…

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