Ich dachte mir so: Heute fasst du dich mal kurz und eigentlich ist ja gar nicht so viel passiert…und schon werden es doch wieder zwei Teile.
Nach ‚Verliebt in Berlin‘ jetzt die neue Telenovela von Sat. 1: Verarscht in Prag! In den Hauptrollen: Die räudigste Ticketbude der Welt, der Platzwart des SK Kladno, der Meister der örtlichen Elektrizitätswerke und Hannoisain Bolt in seiner Paraderolle als Geschwindigkeits-Gnom.
Eigentlich wollten wir ja nach Kopenhagen, aber Fähren und Unterkunft sind irgendwie noch teurer geworden, als sowieso schon. Dann wollten wir nach Rotterdam, aber da war das Wetter ne Frechheit. Das war es auch in Prag, aber dort kann man sich die Zeit im Notfall wenigstens mit Fußball vertreiben.
Los ging’s morgens um 5 bei 8°C und Regen. Bei Hannoi angekommen, war plötzlich tiefster Winter. Die weitere Fahrt durch Deutschland verlief ohne nennenswerte Vorkommnisse, nur um die Mittagszeit packte uns der Hunger und wir hielten an einem Dorf-Imbiss mitten in Sachsen-Anhalt. Überrascht es irgendwen, dass andere Gäste dort in Thor-Steinar-Shirts rumliefen? Bestimmt alle nur frustriert…
Mittlerweile waren es 15°C, wir waren ungefähr 30 km vor Prag und plötzlich erschien links ein riesiger Regenbogen. „Da ist ne Abfahrt! Los, such mal nen Bolzplatz!“ wies ich Hannoi an, der tatsächlich direkt an der Autobahn ein Exemplar ausmachte. Wir fuhren runter und was Hannoi sich gerade mühsam mit den Händen aufbaute, wollte er direkt mit dem Arsch wieder einreißen, indem er mich anwies, Google Maps zu misstrauen und die erste rechts zu fahren. Was dieser Flachlandtiroler nicht gemerkt hat: Diese Straße führte über eine Brücke über „unsere“ Straße, sodass ich erst sinnlos einen Kilometer in die falsche Richtung gurkte und dann auf einer Schotter-Einfahrt wenden wollte. Links blinken und bremsen reicht in Tschechien offenbar nicht als Abbiegehinweis, sodass Pavel (Gattungsname) andere Pläne hatte. Er scherte 2-3 Autos hinter uns aus, um links zu überholen. Ja, genau dort, wo ich gerade abbog. Ich bekam von diesem ganzen Spaß überhaupt nichts mit, weil ich gerade damit beschäftigt war, nicht in den Graben vor mir zu brettern, aber Hannoi wurde plötzlich kreidebleich, weil er in das geisterfahrerische Antlitz Pavels blickte, dem nun schlagartig bewusst wurde, dass Überholen in der Kurve bei einer durchgezogenen Linie nicht die beste Idee seines Lebens war. Das war knapp und natürlich alles nur Hannois Schuld, er hätte mich ja auch nach Navi fahren lassen können.
Wir kehrten also um, steuerten den Bolzplatz an, aber natürlich hatte sich der Regenbogen schon längst wieder aufgelöst. Dennoch wollte ich das Ding zumindest mal mit der Drohne abfliegen und startete diese mangels geeigneter Startfläche einfach vom Autodach.
Der Sonnenuntergang von Štvanice
In Prag checkten wir erstmal in unser Hotelboot ein und fuhren dann zur Moldauinsel Štvanice. Prag ist zwar von vielen praktischen Hügeln umgeben, ein Spot für den Sonnenuntergang zu finden, ist allerdings nicht ganz so einfach. Štvanice ist eine der Möglichkeiten. Wir parkten an der Straße, liefen kurz 200 Meter zum Wehr und hatten dort genug Platz für unsere Stative. Ein anwesendes Pärchen räumte freiwillig das Feld, weil Hannoi mit seiner Brøndby-Mütze so furchterregend aussah. Die Vorhersage wusste eine 50/50-Chance für einen geilen Sonnenuntergang zu berichten. Naja… wurde nicht so geil. In unserem Rücken zeigte sich derweil der zweite Regenbogen des Tages, leider komplett ohne sinnvolles Motiv.
Wir warteten noch einige Zeit, aber irgendwie verstanden wir das Beleuchtungskonzept der Stadt nicht wirklich. Während die Kuppel des Handelsministeriums zu unserer Linken schon relativ früh beleuchtet wurde, blieb die Burg noch über eine Stunde komplett dunkel. So lange wollten wir nicht warten, stiegen wieder ins Auto und fuhren zum Hotel zurück, nicht ohne durch die Altstadt, vorbei an Rudolfinum und Karlsbrücke zurückzufahren. Es war Freitagabend, es war der Teufel los und wir beschlossen, das erst Sonntagabend in Angriff zu nehmen, wenn die Touristenhorden wieder weg waren. Das Hotelrestaurant hatte leider nur Pizza, das war uns aber nun auch egal und dann war der Freitag auch schon vorbei.
Verarscht, Teil 1
Samstagmorgen, es herrschen Temperaturen um den Gefrierpunkt und es schneit. Wir wollen tagsüber immer noch nicht durch die Stadt laufen und beschließen, raus nach Kladno zu fahren. 25 km vor den Toren Prags spielt der SK Kladno, ehemaliger Erstligist, mittlerweile in der vierten tschechischen Liga. Die spielen ja gerne mal um 10:15 Uhr, perfekt also für ein Frühstück. Da wir wirklich massig Zeit hatten, gurkten wir erstmal etwas im Süden Prags umher, ehe wir am Flughafen vorbei nach Kladno fuhren. Dort am Stadion wollten wir Karten kaufen, allerdings wusste die Kassiererin zu berichten, dass das Spiel wetterbedingt keinesfalls im Stadion, sondern auf dem Nebenplatz stattfindet. Der lag direkt gegenüber und entpuppte sich als räudiger Kunstrasen ohne jegliche Tribüne. Wir lehnten dankend ab und zogen wie zwei geprügelte Hunde von dannen. Natürlich habe ich vorher die Webseite des SK Kladno gecheckt, aber die haben nicht mal eine Zeile vorab über das Spiel verloren. Ich war so sauer, ich habe nicht mal ein Foto vom Stadion gemacht.
Alternativ spielt noch was in Prag, wenn auch nicht so einladend, aber wir sind jetzt für wenig dankbar. Der Weg führte uns in den nördlichen Stadtteil Holešovice zum ebenfalls Viertligisten FK Loko Vltavín. Bei der Parkplatzsuche kam uns außerhalb des Stadions schon ein Dude entgegen, der einen Ball trug. Ein Vorgeschmack auf das Spielniveau. Wir kamen eine halbe Stunde nach Anpfiff und hörten sofort eine vertraute Sprache.
Woran erkennt man deutsche Reisegruppen? Richtig, am unflätigen Benehmen! So auch hier – es waren ca. 10 deutsche Groundhopper aus dem Berliner Umkreis zugegen. Warum muss man als Deutscher im Ausland immer den Larry raushängen lassen?
Das Spiel war nicht der Rede wert, die Anlage war absolut ok und die Frühstücks-Klobasa konnte überzeugen. Aber kalt war es… lausig kalt! Was allerdings im Vergleich zur nächsten Unternehmung quasi Sommerurlaub war.
Samstägliche Stadiontour
Für Sie heute hier, aus dem karibischen Prag; das Stadion Letná – Heimspielstätte des AC Sparta Praha, seines Zeichen erfolgreichster Verein Tschechiens mit den vermutlich unsympathischsten Fans des Landes. Könnten sich gut mit Slovan Bratislava verstehen…
Vorteil: Das Stadion Letná liegt auf einer freien Anhöhe. Nachteil: Das Stadion Letná liegt auf einer freien Anhöhe. Es schneite noch immer und der Wind machte den Spaß nicht größer. Ich schicke die DJI Mini 3 in die Luft, diese kommt ihrer Arbeit nur widerwillig nach und wirft mir eine Starkwindwarnung nach der anderen um die Ohren. Aber da müssen wir beide gemeinsam jetzt durch. Hannoi verfluchte mich derweil, weil ich eine Drohne habe und er nicht. Aber das Problem lässt sich doch friedlich regeln… Drohne landen, Speicherkarte und Akku tauschen, ihm den Steuerknüppel in die Pranken drücken und ab geht’s.
Mit steifgefrorenen Fingern ging es zurück ins Auto und da wir immer noch keine Lust hatten, uns durch die überfüllte Altstadt zu schieben, haben wir uns einfach weiter Stadien angeguckt. Zunächst versuchten wir, oberhalb des Zoos einen freien Tele-Blick auf das Stadion Juliska von Dukla Praha zu erhaschen. Das klappte nur so mittel.
Weiter ging es zum FK Admira, wo wir 2018 schon mal Fußball geguckt haben. Warum zum Geier ist dieses Erlebnis eigentlich noch gar nicht auf diesem Blog gelandet? Wird nachgeholt… Aber da wir 2018 keine Drohne hatten, ergaben sich dennoch neue Perspektiven, gerade auch mit den malerischen Plattenbauten im Hintergrund.
Das größte Stadion aller Zeiten
Im westlich der Moldau gelegenen Stadtteil Strahov steht das gleichnamige Stadion. Momentan noch für 56.000 Zuschauer zugelassen, beherbergte es einst bis zu 250.000 Zuschauer. Ja, richtig gelesen. Eine Viertelmillion Menschen. Gleichzeitig. Dabei ist das Strahov natürlich kein gewöhnliches Fußballstadion mit gewöhnlichen Abmessungen, sondern es finden direkt acht Fußballfelder in seinem Inneren Platz. Gebaut und genutzt wurde das Stadion ab 1932 für Großveranstaltungen aller Art, vor allem aber für die hinter dem ehemaligen Eisernen Vorhang beliebten Turnveranstaltungen, die Spartakiaden, sowie für Kundgebungen und Konzerte. Die Stones, Pink Floyd und U2 spielten hier vor teilweise bis zu 150.000 Zuschauern. Auf dem Bild der Fassade sieht man gut, wie riesig dieses Gebäude ist:
Das alles ist Vergangenheit. Heute ist das Strahov arg baufällig und dass das Ding nicht jeden Moment einstürzt, ist ein schieres Wunder. Eine Nutzung der gesamten Fläche für ein Großevent ist sowieso gar nicht mehr möglich, denn Sparta Prag hat mitten IN das Stadion seine Geschäftsstelle und seine Trainingsplätze gebaut. Den „Ground kreuzen“ kann man dennoch, wenn man möchte, denn die Jugend- und die Frauenteams von Sparta spielen hier.
Aufgrund des wieder einsetzenden Schneefalls hatten wir absolut keine Lust, großartig um das Stadion herumzulaufen. Hannoi spazierte kurz durch ein Tor, in der (vergeblichen) Hoffnung, einen Blick ins Innere zu erhaschen und ich startete die Drohne. Zum Glück liegt das Gelände knapp außerhalb des 5km-Radius des Flughafens, in dem das Fliegen mit der Drohne verboten ist. Leider liegt der Stadtteil Strahov noch höher und noch exponierter als der Letná und wieder schüttelte der Wind die Mini 3 kräftig durch und der Controller piepste wie ein Geigerzähler in Fukushima. Nach nur 300 Metern Entfernung hatte die Drohne auch so gar keinen Bock mehr, sodass ich mein eigentlich geplantes Motiv, beide Stadien auf einmal auf’s Bild zu kriegen, nicht wirklich umsetzen konnte.
Wir tigerten in den angrenzenden Park, um ein nächtliches Fotomotiv auszuspähen. Angeblich soll man vom Park aus einen Blick über die Altstadt haben, der auch für einen eventuellen Sonnenaufgang (Spoiler: gab’s nicht!) geeignet sein soll. Das klappte nicht, denn die Hungermauer war im Weg. Diese mittelalterliche Erweiterung der Burgbefestigung ist leider sehr hoch und erstreckt sich über den gesamten Hügel bis runter ins Tal. Und wo man mal einen freien Blick hätte haben können, stand mächtig viel Gebüsch im Weg. Sehen Sie hier einen unmotivierten Handyschnappschuss:
Mit einem leichten Tele kann man zumindest diese Bürohäuser im Hintergrund halbwegs ablichten, aber insgesamt ist dieser Spot weit weg davon, auf irgendeine Art spektakulär zu sein.
Ab ins Viertel
Wir blieben bei unserer Stadiontour und fuhren nach Vršovice, einem zentral südöstlich gelegenen Stadtteil. Dort gibt es direkt zwei Stadien zu bestaunen. Das Stadion Ďolíček der Bohemians 1905 und das Stadion Eden des verhassten Konkurrenten SK Slavia. Das Ďolíček wird erst später Thema sein, daher kommen wir direkt zum Eden. Slavia spielte gegen Viktoria Plzeň, wir hatten aber keinerlei Ambitionen, dieser Veranstaltung beizuwohnen. Also parkten wir im Einkaufszentrum gegenüber und positionierten uns auf der Fußgängerbrücke über der Straße. Leider ist dieses Stadion absoluter Schrott! 20.000 Plätze, ein Rang, stinklangweilig und ohne Besonderheiten. Ich hätte Schwierigkeiten, es vom Einkaufszentrum zu unterscheiden, wenn nicht der Name dran stehen würde, wobei der integrierte McDonald’s viel zur Verwechslungsgefahr beitrug. Außerdem sah man trotz – logischerweise – eingeschaltetem Flutlicht überhaupt nichts davon, es hätte auch ein stinknormaler Dienstagabend sein können. Da war die Straße neben dem Stadion schon fast spannender.
Danach meldete sich der Hunger und wir waren uns schnell einig, dass wir unbedingt in dem Lokal einkehren mussten, das vorhin mit einer schwarzen Katze im Logo auf sich aufmerksam gemacht hat. Das war eine gute Idee.
Direkt gegenüber des Lokals am Friedensplatz fand sich die ansehnliche Basilika St. Ludmilla, die Ende des 19. Jahrhunderts erbaut wurde. Nur wer hat diese blöden Schilder davor gestellt? Ich bin übrigens nicht zu blöd zum Fotografieren, diese Kirche ist tatsächlich schief!
Der Friedensplatz ist sowieso ein sehr ergiebiges Fotomotiv. Die Straßenbahn fährt im Minutentakt durch und rund um den Platz gibt es schöne Gebäude zu bestaunen. Zum Beispiel das Schauspielhaus Divadlo na Vinohradech. Wie schon in Bremen hatte ich das Vergnügen, dass mir die Polizei durch meine Langzeitbelichtung gurkte. Eigentlich wollten wir noch näher dran, aber eine Gruppe Jugendliche hatte sich eingenistet, um irgendwelches Kraut zu rauchen und so zogen wir von dannen.
Bereits vorhin sahen wir einen vielversprechenden Spot durch die Häuserreihen durchschimmern. Bei näherer Betrachtung war es dann doch nicht mehr so spektakulär, für ein Panorama der Rückseite des Hauptbahnhofs reicht es jedoch allemal.
Hannoi kämpfte derweil mit seinem zu kleinen Stativ (wo ist eigentlich sein L-Winkel?^^) und er lieh sich meins aus. Danach musste ich es erstmal wieder umbauen. Welcher Idiot hat seine Stativplatte um 90° verdreht unter der Kamera? Das ist ja komplett albern!
Woran merkst du, dass du in einer echt räudigen Gegend sein musst? An der Tankstelle ist auf der Toilette blaues Licht, damit die Fixer die Venen nicht finden. Grüße aus der Essener Filiale eines schwedischen Möbelhauses.
Die Trojanische Brücke
Das letzte Motiv des mittlerweile doch sehr langen Tages kann mit Fug und Recht als „garantiert pferdefrei“ bezeichnet werden. Pferde sind nämlich, ebenso wie Segways, auf der Brücke, die zum Stadtteil Troja führt, verboten. Überhaupt schiebt Prag einen ziemlichen Hass auf diese albernen Dinger, denn in der ganzen Stadt hängen diese Schilder.
So auch unter dieser Brücke, auf die wir uns nun stellten, um die Troja-Brücke zu fotografieren. Dies gestaltete sich ob des sich drehenden Riesenrads direkt hinter der Brücke gar nicht so einfach. Es sah aus wie eine riesige Flex, die gleich die Brücke fressen will. Aber das Riesenrad hatte zeitig Feierabend, bevor ich mir eine High-ISO-Lösung des Problems überlegen konnte. Danke, Riesenrad. 🙂
Eine weitere Kurverei durch die Altstadt bestätigte uns in unserem Plan – hier wäre auch an einem späten Samstagabend keinerlei Fotografie-Spaß zu erwarten gewesen. Aber morgen ist ja Sonntag und da können wir abends endlich ungestört fotografieren…
Vielen Dank für deine tollen Einblicke. Ganz anders als es mein Prag-Besuch gewesen ist. Obwohl ich exakt null für Fußball interessiere, lese ich deine Berichte immer mit Begeisterung 🙂
Moin Futzipelz,
das freut mich und ich sehe das einfach mal als Ritterschlag, wenn ich auch Nicht-Fußballfans begeistern kann. 🙂
Liebe Grüße
Ben