Seltsame Tierwesen und wo sie zu finden sind. Heute: Der Pfockel

Seltsame Tierwesen und wo sie zu finden sind. Heute: Der Pfockel

Nee, Fußball war nicht. Aber auch auf einem Ausflug ins Moseltal kann man mit den richtigen Begleitern genug für einen „Spielbericht“ erleben. Gerade wenn diese nicht wissen, wo es hingeht…

„Da musste mal hin“ dachte ich mir, als ich letztens Bilder von der Moselschleife am Calmont gesehen habe. Praktischerweise fiel mein einwöchiger Urlaub in die erste Regenfront seit gefühlt drei Jahren, mehr als ein Tagesausflug in den nahe gelegenen Duisburger Landschaftspark war nicht drin. Laut Wetterbericht hatte ich nur eine Chance und zwar am Sonntagmorgen. Es sollte schließlich der Sonnenaufgang über der Moselschleife in Bremm (Calmont) fotografiert werden. Freitagmorgen las ich zufällig im Forum, dass Kuzze ganz böse Midlife Crisis hat und ihm zuhause die Decke auf den Kopf fällt. Da könnte ich ihn doch mal fragen, ob er Bock hätte, mich zu begleiten. Allerdings habe ich ihm direkt gesagt, dass ich ihm keinesfalls das Ziel der Reise verraten würde. Er soll nur nicht mit den letzten auseinander fallenden Chucks auftauchen und ein Sitzkissen mitnehmen. Bomber hatte auch Interesse an der Aktion und somit waren wir zu dritt, als ich am Sonntagmorgen um 1 Uhr bei Kuzze auftauchte. Natürlich habe ich versucht, vorher ein paar Stunden zu schlafen. Natürlich hat das nicht funktioniert. Dafür hatte ich auf der Hinfahrt den ekelhaftesten Energy-Drink der Menschheitsgeschichte geöffnet – und nach einer Geruchsprobe direkt in den nächsten Gully befördert. Meine Gäste waren beide vorbildlich warm gekleidet und hatten je ein Sixpack Bier dabei. Natürlich. Dies verlieh Bomber zusammen mit dem Transportvehikel, einer Plastiktüte, und seiner blau-weißen Schalke-Mütze eine gewisse obdachlose Aura. Sobald sie Platz genommen hatten wurde auch schon fleißig versucht, die Destination zu erraten, selbst das Navi wurde dafür missbraucht. Natürlich nicht ohne meinen Hinweis, so’n fettes Display mit den Restkilometern und der Ankunftszeit mitten in der Mittelkonsole kann man ja offenbar schon mal übersehen. Aber Kuzzes Augen sollten für uns noch den einen oder anderen Spaß bereithalten. Bomber war felsenfest davon überzeugt, dass wir zur Loreley fahren würden, denn da war er schon mal. Aha. 

So langsam kam Kuzze dem Braten näher, versuchte aber dennoch gegen halb 3 Uhr nachts an weitere Informationen zu kommen, indem er kurzerhand Hannoi anrief. Der war zwar von mir eingeweiht, schaltete aber schnell genug (einer seiner wenigen, lichten Momente) und führte Kuzze gekonnt in die Irre. 20 km vor dem Ziel machten wir eine letzte Pinkelpause. Kuzze war auf der gesamten Hinfahrt nur zweimal austreten. Ich verneige mich vor dieser Leistung. Während der letzten Pause standen wir fünf Minuten auf einem Parkplatz und kein einziges Auto fuhr in der Zeit über die Autobahn. Willkommen in Rheinland-Pfalz! Die nächsten 20 Kilometer ging es dann über teils abenteuerliche Straßen mit bis zu 20% Gefälle in das kleine Kuhdorf Bremm. Dies liegt direkt an der Mosel und zwar an der zweitengsten Moselschleife, nur 400 Meter breit ist die Landzunge an dieser Stelle. Weiterhin bedeutsam ist die Tatsache, dass hier ein Berg namens Calmont steht, der an dieser Stelle quasi senkrecht auf 380 Meter ansteigt, während die Mosel direkt darunter nur auf 80 Metern fließt. Von dort oben wird man also eine fantastische Aussicht haben. Obelix gefällt das. Und diese Verrückten bauen hier tatsächlich Wein an! Die Hänge im Calmont sind bis zu 65 Grad steil und – Obacht, unnützes Wissen – somit eine der steilsten Weinlagen der Welt. Mit konventionellen Fahrzeugen kommt man bei der Weinlese natürlich nicht weit, dafür haben die Winzer sich so Art Zugvorrichtungen in den Hang gebaut, mit denen die Trauben abtransportiert werden. Das Ganze besteht aus einer metallenen Schiene, die im Hang verbaut ist und der Transportschlitten besteht dann aus einem Schalensitz wie im Stadion, einem Motor und einer Ladefläche hinten dran. Schaut ein bisschen aus wie ein Gerät, mit dem sich Evil Knievel in die Erdumlaufbahn befördern lassen könnte. Die Mosel entspringt in den französischen Vogesen und mündet nach 544 Kilometern am Deutschen Eck in Koblenz in den Rhein. Sie ist eine der verkehrsreichsten Wasserstraßen Europas. Auch geklärt wurde an diesem Morgen, warum Namen von Flüssen größtenteils weiblich sind. Na klar, das kommt aus dem Französischen – „Made Moselle“ *ba-dumm-tss*

Tjaha… Landschaftsfotografie ist 70% Planung und 30% Zufall. Zum Beispiel kann man ja den Sonnenstand planen, oder auch mit Google Earth vorher einen groben Überblick über den Blickwinkel erhalten. Oder bei den Google Bewertungen zu dem nahe gelegenen Aussichtspunkt lernen, dass man ruhig mit dem Auto ganz ranfahren kann und die dort stehenden Verbotsschilder für die lokale Bevölkerung eher beratenden Charakter haben. Leider hat mir niemand verraten, dass für den Versuch dort raufzufahren ein SUV von Vorteil sein könnte und so musste ich mich letztlich mit einem Spot etwas unterhalb und etwas weiter südlich meines Optimums zufrieden geben. Hätte auch geklappt, wenn wir nicht schon 5 km vor dem Zielort ein massives Problem gekriegt hätten: Nebel mit Sichtweiten von unter 10 Metern! Machte das Fahren über die örtlichen Serpentinen bei dieser weißen Wand durchaus noch Laune, ist Nebel für einen photographisch festzuhaltenden Sonnenaufgang eher unbrauchbar denn der Himmel ergraute zwar schneller als George Clooney, aber es wollte so gar nicht mehr aufhellen.

Wir fuhren mit dem Auto also mitten in den Weinberg, parkten kurz fluchtbereit in Fahrtrichtung, falls Axtmörder oder schlecht gelaunte Bauern auftauchen würden und ich machte ein Testfoto, um in der stockdusteren Umgebung etwas erkennen zu können. Passt soweit, wir müssen nur ein Stück höher. Oh, ein Trampelpfad, also schön hoch da. Da ich eine faule Sau bin, packte ich die Kamera bei der Kletteraktion natürlich nicht ein und packte mich prompt auf die Fresse. Dass der Objektivdeckel bei dem Stunt verloren ging, merkte ich erst, als ich bei der Abreise nochmal kurz den Hang düngen wollte und das Ding dabei zufällig wiederfand. Wir stellten/setzten uns also auf eine geeignete und nicht rutschige Stelle in den Hang…und warteten. Unterdessen nahm der ortsansässige Hahn um 04:30 Uhr seinen planmäßigen Dienst auf und krähte krumm und schief durch die ganze Landschaft. Kuzze wunderte sich zunächst über das Geräusch und machte ein Pferd als Störquelle aus. Bomber und ich wunderten uns daraufhin über Kuzze und tauften den Gockel kurzerhand auf den Namen Pfockel.

Wir vertrieben uns die Zeit und nutzten hervorragende Aussicht, um den Friedhof des Dorfes zu inspizieren, der direkt unter uns lag. Bomber wollte dort sogar einen Tisch und Stühle erspäht haben. Dass diese dummen Zombies auch nicht einmal wieder aufräumen können! Das wiederum rief erneut Kuzze auf den Plan, der uns vehement davon überzeugen wollte, auf dem Friedhof einen bewegenden Schatten gesehen zu haben. Der Friedhof sah mit seinen aufgereihten roten Grabkerzen und normalen weißen Kerzen ein bisschen aus wie ein Verkehrslandeplatz. Mich hätte nicht gewundert, wenn Kuzze noch ne landende Boeing gesehen haben wollte.
Aber es half ja nix, es wurde 6 Uhr, die Sonne sollte in wenigen Minuten über den Bergrücken im Westen kriechen, aber der Nebel war so dick, dass das Drecksding ums Verrecken nicht zu sehen war. Also entschieden wir uns relativ schnell, unseren Kram zusammenzupacken und wieder nach Hause zu fahren, jedoch nicht ohne einen Abstecher ins 25 km entfernte Cochem zu machen. Wenn man schon mal da ist…

Aus photographischer Sicht war das bisher ein kompletter Reinfall, immerhin ein halbwegs brauchbares Bild entstand dabei.

In Cochem, so meine leise Hoffnung, hätte sich der Nebel dann so weit verzogen, dass wir die Reichsburg wenigstens zu Gesicht bekommen würden. Diese thront auf einem Felsen 100 Meter über der Stadt und wurde dort Mitte des 12. Jahrhunderts als Zollburg errichtet. Nach einem privaten Wiederaufbau Mitte des 19. Jahrhunderts gehört die Burg seit Mitte des 20. Jahrhunderts der Stadt Cochem und ist öffentlich zugänglich. Die Idee erwies sich als ziemlich hervorragend, denn die Burg war nicht nur sichtbar, sondern es geisterten auch noch leichte Nebelschwaden um den Turm herum. Volltreffer!

Der Klassiker ist jedoch ein Punkt auf der gegenüber liegenden Seite der Mosel, weil man dort die Häuser der Uferlinie mit auf das Bild bekommt. Dort angekommen liefen bereits zwei Jünglinge der Sektion Stimmbruch mit Kamera durch die Gegend und steuerten gerade eine Drohne durch die Luft. Die beiden haben es richtiger gemacht als wir und nicht zwei Stunden in einem vernebelten Weinberg gesessen, sondern in Cochem auf den Sonnenaufgang gewartet. Das dort entstandene Bild gefällt mir nicht so gut, denn einerseits ist kein Nebel mehr drauf und andererseits habe ich den Fokus etwas verkackt.

Der Wille, noch etwas an der Mosel entlang zu fahren, war durchaus bei allen Autoinsassen vorhanden, eine nicht zu unterschätzende Müdigkeit jedoch auch. Also zogen wir von dannen und bekamen auf der Rückfahrt noch einige fantastische Ausblicke auf nebelverhüllte Täler, aber leider keine gute Möglichkeit anzuhalten. Wir sind dann noch schnell nach Maria Laach gefahren, um zu testen, ob wir irgendwie an den Laacher See herankommen, aber ohne Parkgebühren nix zu machen. Bomber meinte, den Ort schon mal irgendwo gehört zu haben. Maria laach wahrscheinlich mal auf ihm.

Auch die Rückfahrt führte uns wieder an Bonn vorbei und wie schon auf der Hinfahrt sind Parkplätze dort rar gesät. Man will halt schnell wieder weg – verständlich. Wir konnten also erst kurz vor Köln wieder zu einer kurzen Pause rausfahren und fanden uns an der räudigsten Tanke westlich der Ostukraine wieder. Da gibt’s nicht mal Sanifair, dafür hatte die Klofrau aber die gleiche Frisur wie Donald Trump. Um halb 11 war ich dann totmüde wieder zuhause. Das wird aber auf jeden Fall wiederholt. Ich muss ja eh nochmal nach Calmont, ich hab da noch ne Rechnung offen.

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